Kumpeltod: Nachtigalls achter Fall (German Edition)
bestochen habe. Die Welt ist schlecht. Ein Restrisiko bleibt. Das
werden Sie eingehen müssen.« Zu viel Aufklärung kann auch schaden, überlegte
Silke boshaft.
»Warum
sollte ich so dumm sein?«
»Weil
ich sonst dafür sorgen werde, dass man Sie wegen Behinderung der polizeilichen
Ermittlungen in einem Mordfall so richtig zu packen kriegt.«
Nun
wurde das bleiche Gesicht fahl.
Der
Ausweis wanderte zurück zu Dreier.
Noch
bevor die Beamtin ihn wieder in die Hosentasche geschoben hatte, war die
Brünette über den Gang geflohen. Wenige Augenblicke später durfte Dreier ins
Sprechzimmer eintreten.
Hinter
einem großen Schreibtisch saß eine Dame um die 50.
Silke
war überrascht. Als Hausarzt von Heiner Lombard hatte sie einen Mann erwartet.
»So
sehr hätten Sie meine Sprechstundenhilfe nicht zu erschrecken brauchen.«
»Tut
mir leid. Sie glaubte, ich sei hier, um Patientendaten zu stehlen. Guten Tag.
Silke Dreier, Kriminalpolizei.«
»Setzen
Sie sich. Erzählen Sie mir erst mal, worum es geht.«
»Heiner
Lombard wurde tot aufgefunden. Es gibt kaum jemanden, der uns über ihn Auskunft
geben kann.«
»Sie
wissen, dass ich der ärztlichen Schweigepflicht unterliege.«
»Er
wurde ermordet.«
»Auch
dann.«
»Er
wurde obduziert. An medizinischen Informationen bin ich nicht interessiert. Es
geht mir mehr um die Person. Was für ein Mensch war er?«
»Ein
einsamer. Kommen Sie mit einem richterlichen Beschluss wieder?«
»Gab es
Freunde?«, wollte die junge Beamtin wissen, ohne auf die Frage von der
Hausärztin einzugehen.
»Schon
lange nicht mehr. Fragen Sie nicht mich. Erkundigen Sie sich bei Frau
Tannenberg. Sie wohnt in seinem Haus.«
»Sie
ist verwirrt. Ihr Mann ist gestorben. Ich glaube nicht … «
»Sie
ist nicht verwirrter als Sie oder ich.«
Dreier
schwieg.
»Setzen
Sie sich ins Wartezimmer. Drei Patienten habe ich noch. Ich werde Frau John
anrufen und danach sehen, was ich für Sie tun kann.«
Die
Beamtin nickte.
Triumph
lag über dem Gesicht von Schwester Tanja, als sie die andere aus dem
Sprechzimmer kommen sah. Allerdings knipste sie ihn rasch aus. Folgte mit
brennendem Blick dem Rücken, der sich ins Wartezimmer schob.
Eine
Stunde später war die Ärztin zugänglicher.
»Sehen
Sie, Herr Lombard arbeitete auf der F60. Ist Ihnen das ein Begriff?«
Silke
Dreier schüttelte den Kopf.
»Das
ist eine riesige Förderbrücke. Tagebau. Würde man den Eiffelturm daneben legen,
wäre der Sieg bei der F60. Ein Koloss aus Stahl. Herr Lombard saß im
Führerhaus, steuerte das Ding. Eine ausgesprochen verantwortungsvolle
Tätigkeit. Früher waren zwei Mann für diese Arbeit vorgesehen – einer
wurde wohl eingespart. Man ist verpflichtet, ständig aufmerksam zu sein,
hochkonzentriert. Der Mann im Führerhaus muss alles im Auge behalten, Gefahren
für Menschen und Maschine erkennen, dafür sorgen, dass die Eimer oder die Kette
sich nirgendwo verhaken können und die Eimer gleichmäßig abtragen. Es gibt eine
Art Bergungsteam, das Hindernisse aus dem Weg räumt. Stubben zum Beispiel oder
Findlinge. Waren Sie mal in Nochten? Da gibt es einen Findlingspark.
Eindrucksvolle Felsbrocken.«
Silke
nickte. So weit, so klar.
»Herr
Lombard war mit einem der Mitarbeiter besonders eng befreundet – und
ausgerechnet der verschwand plötzlich. Aus einem Grund, den ich nicht kenne,
hat Herr Lombard die anderen Freunde für dieses Untertauchen verantwortlich
gemacht. Als sich niemand so recht dafür interessierte, dass dieser spezielle
Freund nicht mehr auftauchte, konnte Herr Lombard die Situation nicht länger
ertragen. Er kündigte und brach den Kontakt zu den anderen ab.«
»Er
wurde dauerhaft arbeitslos und vereinsamte.«
»Ja.
Vor allem aber wurde er besessen. Es war wie eine fixe Idee. Er konnte an gar
nichts anderes mehr denken. Und neulich erzählte er mir im Vertrauen, er habe
nun – nach all den Jahren – endlich eine heiße Spur gefunden.«
»Eine
Spur des verschwundenen Freundes?«
»Nun,
nicht direkt. Ich habe ihn eher so verstanden, als habe er die Wahrheit über
die damalige Verschwörung entdeckt.« Die Ärztin zuckte mit den Schultern. »Ich
glaubte ihm damals nicht. Doch nun … Was,
wenn er wirklich auf einen Zusammenhang gestoßen ist und deswegen sterben musste?«
»Diese
Möglichkeit ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Was für einen Zusammenhang
es da geben sollte, hat er nicht erwähnt?«
»Nicht
konkret«, antwortete Frau Dr. Fischer gedehnt, »aber er erwähnte, damals
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