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Kumpeltod: Nachtigalls achter Fall (German Edition)

Kumpeltod: Nachtigalls achter Fall (German Edition)

Titel: Kumpeltod: Nachtigalls achter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Steinhauer
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auf die Straßen und wurde
weggeweht. Schließlich ging es um viel Geld. Nicht lange nach der Beerdigung
verkauften die Zweiten. Tillmann schwenkte um, wollte nun auch lieber unsere
Altersversorgung sichern. Angst war ihm fremd, meine Besorgnisse wollte oder
konnte er nicht teilen.«
    »Und
Heiner? Der war doch auch im Widerstand.«
    »Heiner«,
sagte die Mutter verächtlich und unterstrich die Betonung durch eine
wegwerfende Handbewegung. »Heiner zuckte kaum. Für oder gegen – das
schien ihm völlig gleichgültig zu sein. Er hat dann sofort, irgendwie erleichtert,
den ›Job‹ als ›Pressesprecher‹ hingeworfen. Vielleicht hat er ja sogar eine
Chance in einem Neuanfang irgendwo gesehen. Weg von hier mag ihm im Grunde wie
ein Hoffnungsstrahl vorgekommen sein.«
    »Er
wollte nach Afrika auswandern?«, staunte Nachtigall.
    Wieder
überlegte Frau John die Antwort gründlich.
    »Gesprochen
hat er nicht darüber. Eher nicht. Die Sprache wäre ein Problem für ihn
geworden. In diesem Punkt war er nie begabt, Englisch forderte ihn schon genug.
Und diese Sache mit Afrika kam vor etwa 20 Jahren auf, hat ihn beschäftigt. Bis
dahin reizte ihn der raue Norden mehr.« Sie lächelte nachsichtig. »Nun, das mag
ja auch an den neuen Möglichkeiten gelegen haben. Afrika war so richtig fremd,
neu, spannend. Hitze eine Herausforderung, Sandstürme kannte er nur aus dem
Fernsehen. Aber teuer war es auch. Und so konnte er sich diesen Traum nicht
erfüllen. Irgendwann redete er nicht mehr darüber.«
    »Eine
neue Liebe hat das Thema wieder frisch entfacht?«, fragte Wiener.
    »Wohl
nicht«, gab Frau John kalt zurück. »Heiner kam nach seinem Vater. Bloß sein
Leben stand im Mittelpunkt allen Denkens und Planens. Deshalb ist ja auch seine
Ehe gescheitert. Als sie auszog, war keiner überrascht, Heiner auch nicht.«
    »Warum
hat er dann geheiratet?«
    »Um
Tillmann zu beweisen, dass er ein ganzer Mann ist. Es ging darum zu zeigen,
dass er Frauen liebt.« Sie seufzte tief. »Tillmann war davon überzeugt, Heiner
sei schwul.«
    »Und
Frau Lombard?«
    »Hielt
ihn auch für schwul, glaubte aber, sie könne dennoch an seiner Seite glücklich
sein. Sie wissen schon, es gibt da dieses Klischee: Schwule Männer sind
einfühlsam und echte Frauenversteher. Alles Quatsch! Kein Wort davon ist
wahr!«, spuckte sie plötzlich wütend ihre Verachtung in den Raum.
    »Norbert
Holzmann, Maik Grendke, Matthias Langer – alles
Kollegen von Heiner, mit denen er gern zusammenarbeitete. Ein funktionierendes
Team.« Nachtigall beobachtete interessiert, wie sich das Mienenspiel der Mutter
veränderte. Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit bis flammender Zorn – die
ganze emotionale Palette spiegelte sich in ihren Zügen wider.
    Nachtigall
wartete geduldig.
    Der
innere Sturm würde sich schnell legen.
    Michael
Wiener nutzte die Gesprächspause, um seinen eigenen Gedanken nachzuhängen.
Kohle. Das große Geld war da nur für die Energiekonzerne drin. Die Angestellten
wurden nach Tarif bezahlt. Darum konnte es also nicht gehen, Geld schied als
Motiv in diesem Fall aus. Liebe, sonst ein starker Antrieb, kam auch nicht
recht in Betracht. Der Täter, nach dem sie fahndeten, schlug mit großer Kaltblütigkeit
und Gewalt zu. Hass, verletzter Stolz … hm,
überlegte Wiener, all dem sind wir in Heiners Umfeld noch gar nicht begegnet.
In den Aussagen erschien er eher als katastrophaler Langweiler, der bei
niemandem heftige Gefühlsausbrüche auslöst. Was stimmt hier nicht? Lügen alle – oder
gibt es einen Heiner Lombard, von dem wir noch gar nichts wissen?
    Er
zuckte zusammen, als die Witwe unerwartet antwortete.
    »Freunde
seit der Sandkastenzeit«, murmelte sie. »Bleibt nicht aus, wenn man in einem so
kleinen Dorf geboren wird und hier aufwächst. Alle etwa im gleichen Alter – Heiners Geschwister waren ja nun deutlich größer, mit dem Nachzügler gaben sie
sich nicht gern ab. Mamas Spätling nannten sie ihn verächtlich. Also hielt
Heiner sich lieber an die Jungs aus dem Sandkasten. Es war keine Überraschung,
dass sie auch denselben Arbeitgeber wählten und gern in einer Schicht
zusammenarbeiteten. Auch die Väter der anderen hatten schon, wie Tillmann, in
der Kohle gearbeitet. Alles irgendwie logisch. Man ging gemeinsam zur Arbeit,
kam gemeinsam zurück. Deshalb war es so ungewöhnlich, dass Heiner plötzlich
ausstieg. Völlig unverständlich. Er warf alles hin und brach den Kontakt zu den
anderen ab. Keiner hatte eine Erklärung dafür.«
    »Einer
der

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