Kumpeltod: Nachtigalls achter Fall (German Edition)
Holzmann sichergestellt werden
konnte. Könnte doch sein, dass wir einen Hinweis finden – und
sei es eine an den Rand gekritzelte Notiz.«
Wiener
nickte.
»Hast
du die Adresse der Wintzel?«
»Ja.
Silke hat sie mir aufs Handy geschickt. Wir fahren in die Grünstraße nach Saspow.«
»Dann
mal los!« Erfreut stellte Nachtigall fest, dass er das einhändige Anschnallen
inzwischen richtig gut beherrschte. Hilfe war nicht länger vonnöten. »Dr.
Pankratz hat sich auch noch nicht gemeldet? Wir brauchen endlich Gewissheit!«
»Nein,
jedenfalls nicht im Präsidium. Silke hätte es erwähnt. Aber sie musste noch zu
einem anderen Termin, hm, das Beste wird sein, ich fahre nach dem Besuch bei
Frau Wintzel noch im Büro vorbei und sehe nach. Wenn ich eine Notiz finde, rufe
ich dich an.«
»Wir«,
Nachtigall betonte das Pronomen scharf pointiert, »fahren im Büro vorbei!
Auswertung am Abend, wie immer. Hör bloß auf, mich wie einen Pflegefall zu
behandeln«, fauchte der Hauptkommissar ungerecht.
Michael
Wiener verzichtete darauf, seinem Freund zu erklären, dass man ihm die
Nachwirkungen des Schocks mit jedem Tag deutlicher ansah. Die dunklen
Augenringe waren sicher mehr als zwei Finger breit. Schade, dass Emile Couvier
heute noch nicht zu ihnen gestoßen war. Schließlich war Couvier nicht nur
Psychologe, sondern – so ganz gegen den Willen des Hauptkommissars – Mitglied der
Nachtigallschen Familie. Der wäre der Richtige, um einen medizinischen Rat zu
erteilen, auch wenn es zwischen den beiden Männern immer wieder Spannungen gab.
Er
selbst knabberte auch noch immer an dem Schrecken über den Unfall, den
gefühlten Tod Nachtigalls. Marnie, seine Frau, hatte zu einigen therapeutischen
Gesprächen mit dem Polizeipsychologen geraten. »Es kann nicht sein, dass du
häufiger nachts schreiend aufwachst als unser vier Monate alter Sohn!«,
schimpfte sie. »Lass dir helfen!«
Als er
den Wagen am Straßenrand parkte, fiel ihm auf, dass Nachtigall die gesamte
Fahrt über nicht ein Wort gesprochen hatte. Er warf ihm einen fragenden Blick
zu.
»Ich
wollte nicht stören«, sagte der Hauptkommissar schlicht und befreite sich aus
dem Gurt. »Denken schadet nicht.«
Erika Wintzel zuckte zusammen,
wie unter einer kräftigen Ohrfeige.
»Kriminalpolizei?«,
hauchte sie entsetzt. »Dann heißt das wohl, dass Sie Achim gefunden haben.«
Leblos
tapste sie vor den späten Besuchern her ins Wohnzimmer. Wie vergessen baumelten
die Arme an den Seiten herunter.
»Nein,
Frau Wintzel, wir haben Ihren Mann nicht gefunden«, stellte Nachtigall klar.
Das
Leben kehrte wie ein Schwall in Erikas Körper zurück. Du Närrin, schalt sie
sich, was macht es denn jetzt noch für einen Unterschied? Du willst doch ganz
von vorn anfangen, da wäre es doch nur ungünstig, wenn Achim ausgerechnet in
diesem Moment auftauchte. Nimm dich zusammen!
Interessiert
beobachtete Nachtigall das Mienenspiel der Frau. Schreck, Erleichterung,
Verärgerung, Widerwillen. Alles vorhanden.
»Ach?
Und was wollen Sie dann von mir?«
»Ihr
Mann verschwand vor 20 Jahren spurlos.«
»Leider
hat die Polizei nie einen Hinweis auf seinen Verbleib finden können. Das nennt
man dann wohl spurlos«, gab sie patzig zurück.
»Und er
hat sich auch bei Ihnen nie wieder gemeldet?«, fragte Wiener zur Sicherheit
nach.
Erikas
Körper wurde empörungssteif. »Natürlich nicht! Sonst hätte ich das der Polizei
mitgeteilt. Was unterstellen Sie mir da?«
»Mein
Kollege unterstellt Ihnen gar nichts, Frau Wintzel. Wir sind im Rahmen der
Ermittlungen in einem Mordfall auf die Akte Ihres Mannes gestoßen. Er könnte
das Opfer gekannt haben.«
»Aha.«
Ratlosigkeit breitete sich in ihren Zügen aus.
»Heiner
Lombard, Maik Grendke, Norbert Holzmann? Haben Sie die Namen schon mal
gehört?«, schaltete sich Wiener wieder ein.
Erika
Wintzel lachte verhalten. »Mein Mann hatte viele Bekannte und noch viel mehr
Geschäftspartner.«
»Können
Sie sich eine Verbindung zum Braunkohletagebau vorstellen?«
»Sicher.
Achim war Versicherungsvertreter. Berufsunfähigkeitsversicherung für Bergleute.
Ausbildungsvorsorge könnte für Kumpel auch interessant gewesen sein. Viele aus
dem Bergbau waren bei Achim unter Vertrag.«
»Heiner
Lombard? Norbert Holzmann, Maik Grendke?«, schoss Wiener noch einmal die Namen
in den Raum.
»Vielleicht
ist das ja ein Kompliment an mein gutes Gedächtnis, aber tatsächlich kann ich
mich nach 20 Jahren an irgendwelche Namen nicht mehr erinnern.
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