Kumpeltod: Nachtigalls achter Fall (German Edition)
staubig. Der Boden ist frisch gewischt. Spuren sind
keine zu finden, aber das heißt nicht, dass nicht doch jemand im Keller war«,
meinte sie im Runtergehen. »Wenn er recht hat und ihm dort einer auflauerte,
ist er in Gefahr.«
»Mehr
können wir nicht für ihn tun. Er wird bewacht. Morgen setzen wir ihn mit einem
Kollegen an die Bilderkartei, wer weiß, vielleicht identifiziert er einen
unserer alten Bekannten.«
»Kohle
als Mordmotiv, Kumpel verschwinden, werden getötet – komischer Fall.«
»Silke,
ich denke die ganze Zeit schon, wir könnten auf einer völlig falschen Fährte
sein. Sicher, die Toten haben alle im Bergbau gearbeitet, kannten sich. Aber
deshalb müssen die Morde nicht unbedingt mit der Arbeit zu tun haben. Wer weiß,
vielleicht sind sie ganz privat als Gruppe irgendwo in Schwierigkeiten geraten.
Die haben doch sicher oft ihre Freizeit zusammen verbracht.«
»Eine
Gruppe junger Männer on tour – und dann geht was schief? Du
denkst, das ganze Theater mit der Kohle lenkt uns nur ab.«
»In der
Art. Da passt nur Tillmann John nicht rein.«
Susanne Schelter fühlte sich
beobachtet.
Natürlich
war da niemand, wenn sie sich umdrehte, aber dennoch, irgendjemand glotzte ihr
nach, das war sicher. Sie hasste es, diese Strecke zu Fuß gehen zu müssen.
Nervös
klopfte sie auf die Außentasche ihres Mantels. Das Handy war da. Griffbereit,
Notrufbereit.
Heiner
war tot.
Arme
Sau, dachte Susanne mitfühlend, war nicht viel rund gelaufen in seinem Leben.
Ermordet,
hatte der Polizist am Telefon gesagt. Und man glaube, alle, die ihn näher
kannten, seien nun ebenfalls gefährdet. Sicher Blödsinn. Ich arbeite gar nicht
mehr in der Kohle!, tröstete sie sich trotzig. Außerdem gab es niemanden, der
ihr ans Leben wollte. Weshalb auch? Schließlich hatte sie immer nur den
Radlader gefahren – sonst nichts.
Energisch
setzte sie ihren Weg fort.
Als ein
Ast knackte, drehte sie sich nicht einmal um.
Nur
panische Leute werden beklaut und überfallen, das war wie Murphys Gesetz. Immer
die größte zu befürchtende Katastrophe fest im Blick wurden sie von der dann
auch getroffen.
Wieder
ein Geräusch. Näher diesmal. Atmete da nicht jemand?
Gänsehaut.
Erst im
Nacken, dann über den Rücken, auf den Armen.
Weit
war es jetzt nicht mehr.
Auf den
letzten Metern konnte ihr doch nicht …
›…
wurde nur wenige Meter von ihrem Elternhaus entfernt tot aufgefunden‹, hatte
sie das nicht gerade erst in den Nachrichten gehört? Ihre Schritte wurden
länger.
Nicht
lang genug.
Erika Wintzel wartete auf sein
Klingeln.
Dann
zählte sie langsam bis zehn, bevor sie ihm öffnete.
Er
sollte nicht den Eindruck gewinnen, sie habe hinter der Tür gelauert.
»Oh,
welch ein Anblick!«, freute er sich, drehte sie galant einmal um ihre eigene
Achse, um sie von allen Seiten bewundern zu können. »Wie schön du bist!«
Erika
führte ihren Ewald ins Wohnzimmer, wo die Kerze brannte und zwei Sektkelche
bereitstanden.
»Aber!
Du solltest dir doch keine Mühe machen.« Er zog mit kühnem Schwung ein kleines
Päckchen hinter dem Rücken hervor. Erika keuchte, atemlos vor Glück.
»Darf
ich die Musik für den Abend auswählen?«, erkundigte er sich höflich und trat an
das gut gefüllte CD-Regal. »Ravel? Zu schwer. Coltrane? Hm. Magst du das oder
wäre das eher die Wahl deines Mannes gewesen?«
»Coltrane
wäre meine Wahl«, hauchte sie, während sie das Päckchen vom Papier befreite.
»Oh,
wie wunderschön!«, hauchte sie, als sie die Ohrringe im roten Samt liegen sah.
»Nun,
ich freue mich, wenn sie dir gefallen.« Er schlang zärtlich seine Arme um ihren
Körper und küsste sie innig.
Erika
wurde fast bewusstlos.
Sie
entwand sich ihm, eilte ins Bad, um die Ohrstecker gleich tragen zu können.
Ohne
Hilfe des Spiegels hätte sie die winzigen Löcher nie finden können.
Bei
ihrer Rückkehr brachte sie den Champagner aus dem Kühlschrank mit.
Das
wird ein wundervoller Abend, freute sie sich, einer, wie ich ihn mir immer
erträumt habe!
Gegen
Mitternacht trug er sie ins Schlafzimmer.
Um
viertel eins zerplatzte ihr Traum vom Glück.
»In dem
Karteikasten deines Mannes waren nicht alle Adressen, die ich brauche.«
Erika
brauchte einige Herzschläge, bis sie begriff, dass diese Stimme auch zu Ewald
gehörte. Wenngleich sie völlig anders klang als die kultivierte, die er sonst
verwendete. Und auch mit größter Anstrengung fand sie in Ewalds Zügen nicht das
Gesicht des ungeschickten Schornsteinfegers.
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