Kumpeltod: Nachtigalls achter Fall (German Edition)
Nein, das konnte nicht wahr sein!
»Was?«,
fragte sie daher begriffsstutzig. Das Brennen auf ihrer Wange war vertraut.
Frauen wie ich geraten doch immer an dieselbe Art Männer, dachte sie bitter.
Sie schmeckte Blut. Wie früher. Schon ihr Vater hatte dafür gesorgt, dass sie
spurte und Achim hatte die Tradition weitergeführt. Kälte breitete sich in
ihrem Herzen aus.
Gerade
jetzt, wo sie ein neues Leben anfangen wollte! Selbstbestimmt!
»Also?
Wo hat er die anderen Adressen?«
Sie
schwieg.
Konnte
nach dem Schock gar nicht sprechen, bekam die Lippen nicht einmal zu einem
Schrei auseinander.
Die
andere Wange.
Nun,
wenigstens wäre das Gesicht dann morgen gleichmäßig geschwollen. Niemand würde
es sehen.
»Wenn
du mir nicht sagst, wo die Verzeichnisse sind, dann werde ich zu härteren
Methoden greifen«, drohte er finster, der ehemalige neue Mann ihrer heißesten
Träume.
»Sei
nicht so störrisch!«, zischte er direkt in ihr Ohr, Erika spürte den fast
schmerzhaften Schauer, der über ihren Rücken rollte.
Sie
stakste wortlos über den Flur in die Küche.
Er
folgte ihr, ohne zu ahnen, dass es das Letzte in seinem Leben war, was er ihrer
Meinung nach tun sollte.
Als er wenig später so still
und überraschend raumfüllend ihr zu Füßen lag, konnte sie nicht genau sagen,
was passiert war. Im Grunde war es auch gleichgültig. In diesem Fall kam es auf
das Ergebnis an. Und das würde demnächst kalt und steif werden.
Erika
stieg über ihn drüber, schenkte sich ein weiteres Stielglas Champagner ein.
Prostete
ihm zu.
Überlegte,
ob sie ihm verzeihen sollte.
Entschied
sich dagegen. Was allerdings die Frage aufwarf, wie er nun aus ihrer Küche
verschwinden würde. Denn wenn sie ihm nicht verzieh, gab es keinen
tränenreichen Anruf mit Mordgeständnis bei der Polizei – und
eben auch kein öffentliches Begräbnis für ihn.
Warum
ist mir vorher nicht aufgefallen, wie schwer der Kerl ist, grübelte sie
sinnlos. Wenn ich den in meinem Garten beerdigen will, muss ich ein gewaltiges
Loch ausheben. Das sehen die Nachbarn. Und dann hatte sie die rettende Idee:
Ich lege einen Fischteich an! Das wollte ich schon immer, nur Achim war
dagegen, weil man Fische auch versorgen muss. Gleich morgen fange ich damit an!
Sie
wünschte dem schweigsamen Herrn noch eine gute Nacht und ging gähnend ins Bad.
Conny kam erst kurz vor Mitternacht
nach Hause.
Ein
leichter Hauch von Alkohol umwehte sie, sie duftete nach fremdländischen
Gewürzen und guter Küche.
»Du
arbeitest noch?«, fragte sie und schmiegte sich zärtlich an ihn.
»Hm,
hm. Ich habe eine Idee. Aber noch ist nichts bewiesen.« Er schob den
Papierstapel zur Seite. »Das ist die Autobiografie eines Bergmanns. Sperrig.
Wir stecken noch in seiner Kindheit fest. Dummerweise hat er die Seiten nicht
nummeriert. Bis jetzt ist es nicht spektakulär. Ermüdend.«
»Sag
bloß, du hast den armen Kater wieder arbeiten lassen. Wir wissen ja, dass der
immer die besten Einfälle hat, wenn er so tut, als schliefe er fest!« Sie
zeigte auf die Couch, in deren linker Ecke ein großes und der rechten ein
kleines Fellbündel lag.
»Komm!«
Träge drehte Conny sich um und hielt auf das Schlafzimmer zu.
»Willst
du nicht wissen, welche Abenteuer ich heute bestehen musste?«
»Nein – aber
ich zeige dir, was du zum Abschluss des Tages zur Entspannung tun kannst, damit
du morgen auch wieder abenteuerlustig bist.« Sie winkte mit dem Zeigefinger.
Er wartete. Jeden Tag.
Entweder auf sie – oder auf Befreier.
Doch
die einzigen, die kamen, waren sie.
Schon
an ihrem Schritt erkannte er, wann sie kamen, um ihn zu holen, keinen von den
anderen, mit denen er hier in diesem Käfig zusammengepfercht war. Beim ersten
Mal war er von der Intensität der Schmerzen überrascht gewesen. Die Kette, die
seine Waden zerfetzte. Seither fiel ihm das Gehen schwer. Natürlich nahmen sie
darauf keine Rücksicht, wenn sie ihn vor sich her trieben. Dunkelheit überall.
Gelegentlich weiße Augen, dann wieder Finsternis. Wie viele außer ihm hier
warteten, konnte er nicht sagen. Von denen sprach keiner eine Fremdsprache – und er
verstand den heimischen Dialekt nicht. Wobei er nicht einmal sagen konnte, wo
dieses heimisch überhaupt lag. Der Transport hatte lang gedauert. Das war aber
auch das Einzige, was er wusste.
Die
Botschaft würde bald jemanden schicken, der ihn rausholte.
An
diese Hoffnung klammerte er sich.
Ihre
Fragen konnte er ohnehin nicht beantworten – er verstand ja
Weitere Kostenlose Bücher