Kunden lesen

einem kurzen Blick, »das können wir Cindy nicht antun.« Es geht noch ein bisschen hin und her zwischen dem Paar, aber am Ende hat Heiner Knallenburger das Ruder wieder fest in der Hand. Mit dem Hinweis, dass der neue Wagen mindestens bis zum ersten Enkelkind absolut ausreichen wird, hat er seine Frau überzeugt. Die Autoverkäuferin beobachtet gespannt die Diskussion des Paares. Sie staunt nicht schlecht, dass Eltern einer Fahranfängerin eine solche Rakete kaufen, die noch dazu funkelnagelneu ist.
    Während die Verträge unterschrieben und die perfekte Übergabe mit großer Schleife am Auto terminiert wird, nutzt Heiner Knallenburger die Zeit, um noch ein wenig im Zubehörkatalog zu blättern: »Diese Gummimatten hier brauchen wir auf jeden Fall auch noch und die Anti-Rutschmatte für den Kofferraum. Schau nur Susi, hier gibt es auch noch einen superschönen Schlüsselanhänger. Und diesen Mini-Schirm mit Halterung, den würden wir auch noch gern haben, Frau Waldhäuser.« Susi Knallenburger sitzt nur noch lächelnd neben ihrem Mann und freut sich an seiner Großzügigkeit.
    Als das Paar eine halbe Stunde später das Autohaus verlassen hat, ist Katrin Waldhäuser immer noch ganz perplex: »Das hätte ich nie gedacht, dass diese Kunden mal eben so ins Autohaus kommen, mein teuerstes und schönstes Auto kaufen und dann auch noch die meisten Optionen aus der Zubehörliste mitnehmen. Solche Kunden hätte ich am liebsten jeden Tag«, denkt sich die 27-Jährige. Sie hätte bestimmt den gebrauchten Roten genommen. Ein Glück, dass der Vater seinen Kopf durchgesetzt hat.
Voll oder schmal?
    Es stimmt, bei so vielen Rabattschlachten, Super-Sonder-Extra-Angeboten, Wochenend-Specials und Räumungsverkäufen glauben die meisten Verkäufer gar nicht mehr daran, dass es auch großzügige Kunden gibt. Doch diese sind gar nicht so selten. Schade, wenn dieser Käufertyp mit unsinnigen Preisnachlässen und Hinweisen auf das günstigste Angebot völlig falsch behandelt wird. Auf der anderen Seite gibt es Kunden, die erst mit Argumenten überzeugt sein wollen, bevor sie ihre Großzügigkeit zeigen. Doch wie kann der Verkäufer die beiden auseinanderhalten?
    Jeder im Verkauf Tätige ist gut beraten, sich ein Gesichtsmerkmal sehr genau anzuschauen: Die Unterlippe. Ist sie eher voll und prall ausgeprägt oder schmal und dünn?
Dicke Unterlippe – der Gönner
    Es gibt Menschen, die gerne geben – spontan und ohne jede Einschränkung. Ihr Patron in Sachen Lebensgestaltung wäre Sankt Martin, der hoch zu Ross einem frierenden Bettler begegnete und seinen Mantel teilte, um die Hälfte zu verschenken. Freigiebig ist er seinem gesamten Umfeld gegenüber – er ist der klassische Spender großzügiger Trinkgelder. Weil er anderen eine Freude machen will, ist der Name dieses Kundentyps: der Gönner.
    Wie ein Seismograph nimmt der Gönner die Bedürfnisse und Wünsche von Menschen in seiner Umgebung wahr. Wenn er sich in der Lage sieht, diese zu erfüllen, dann tut er es gerne. Mitunter hat sein Helfen und Unterstützen etwas Zügelloses und Verschwenderisches. Sagt der Gönner zu, für den nächsten Sonntagskaffee eine Kleinigkeit mitzubringen, dann balanciert er drei Kuchen in die Wohnung und holt anschließend auch noch eine Torte aus dem Auto. Zeit, Energie, Geld, Geschenke, Aufwand – es ist ihm nichts zu schade, nichts zu teuer, nichts zu aufwendig. In Sachen Großzügigkeit gibt es praktisch nur eine einzige Ausnahme: Er selbst kommt erst an letzter Stelle. Seine eigenen Bedürfnisse stellt der Gönner zurück oder er hat schlichtweg einfach nicht mehr die Mittel.
    Für den Gönner ist ein »Das ist aber nicht nötig« wie ein Stich ins Herz. Ihm wird dadurch vermittelt: »Hier darfst du nicht so sein, wie du bist.« Wenn der Beschenkte sich aber freut, ist der Gönner umso glücklicher. Dabei geht es gar nicht um überschwänglichen Dank. Die größte Freude und Bestätigung zieht der Gönner daraus, dass der Beschenkte seine Gabe voller Begeisterung nutzt. Das ist sein höchster Lohn.
    Wer von einem Gönner bedacht wurde, sollte auf dieses Feedback achten. Detailreiche Darstellungen, wie sehr sich das Geschenk in ihrem Alltag bewährt, wie viel einfacher das Leben dadurch geworden ist oder wie sehr man sich jeden Tag daran erfreut – das sind die Berichte, die dem Gönner das Leben versüßen.
    Für Verkäufer ist dieser Kundentyp ein Geschenk des Himmels: Welcher andere Kunde legt gerne noch einen Hunderter drauf, wenn er einem