Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Harbach
Vom Netzwerk:
musste es Starblind lassen – er trainierte hart und war in
Spitzenform. Jetzt aber stand er vornübergebeugt da, die Hände auf den Knien,
und japste nach Luft. Versuchte, vor dem nächsten Lauf etwas Zeit zu schinden.
Sein letztes Stündlein hatte geschlagen.
    Den nächsten gewann
Henry. Und die fünf darauf ebenfalls. Die Lunge hing ihm beinahe zum Hals
heraus. Seine Beine zitterten. Noch nie zuvor waren sie so viele Sprints in
solch einer Taktung gelaufen, schon gar nicht während der Saison. Er stemmte
die Hände in die Hüften und hob das Kinn. Seine Benommenheit ließ die
dämmerdunklen Wolken wie von Sinnen über den Himmel wirbeln. Komm schon, dachte er. Bleib dran.
    Er gewann die nächsten
zwei, sein Herz pochte, der Magen krampfte sich zusammen. Beim nächsten lag er
am Ende bloß eine Nasenspitze vorn. Henry neun, Starblind acht, einmal
Unentschieden. Starblind war kalkweiß, er ging mit schwankenden und
unkontrollierten Schritten, als sie sich zur nächsten Markierung begaben.
Beinahe hätte Henry gefragt, ob es ihm gut ging, ob sie nicht vielleicht besser
einfach Schluss machen sollten – aber so funktionierte das nun mal nicht.
Starblind konnte sich selbst um Starblind kümmern.
    Das neunzehnte Rennen
verlor Henry absichtlich. Gleichstand. Auf diese Weise hatte Starblind noch
immer eine Chance zu gewinnen und würde sein Letztes geben. Sie gingen zur
Markierung vor. Henry brachte jedes Quäntchen Kraft auf, das er noch hatte, und
stampfte die Bahn hinunter, direkt neben sich einen Starblind, der zwar fertig,
aber noch im Rennen und weit davon entfernt war aufzugeben. Leer
dich vollständig aus, hörte Henry Schwartz sagen. Leer
dich aus.
    Er stieß einen
Kampfschrei aus und beschleunigte, überholte den eigenen Atem. Er hinterließ
eine dunkle Lücke zwischen sich und Starblind. Ein paar Meter vor dem Ziel
verlangsamte Starblind, hustete stark. Er taumelte vorwärts, stützte sich mit
den Händen auf den Oberschenkeln ab und entleerte seinen Mageninhalt über die
Bahn. Henry, benommen, die Hände in die Seiten gestützt, kämpfte ebenfalls mit
Brechreiz. Er ging ein paar Schritte weiter, um Starblind etwas Privatsphäre zu
gewähren. Draußen auf dem See warfen die Molen feste weiße Gischt auf, die im
Schein einer undefinierbaren Lichtquelle glitzerte. Eine Motte prallte gegen
Henrys Arm, prallte gegen seine Schulter, bevor sie schließlich auf seiner
schweißnassen Brust aufleuchtete. Er legte eine hohle Hand darüber. Behaarte
Flügel schlugen ihm gegen die Handfläche. Starblind hockte noch immer
zusammengekauert da und gab klägliche Welpenlaute von sich. Es war ein gutes
Gefühl, zur Abwechslung mal jemand anderen zum Kotzen gebracht zu haben.

32
    —
    »Alles in Ordnung?«
    »Klar.«
    »Nein, ernsthaft. Du
siehst angeschlagen aus. Als ob du krank wärst.«
    »Es geht mir gut«,
sagte Affenlight. Owen und er saßen nebeneinander auf dem Sofa, Owens linkes
Bein auf Affenlights rechtem, die Arme einander um die Schultern gelegt.
    »Wenn nicht, sag’s mir
einfach.«
    »Schhh.« Affenlight
fühlte sich tatsächlich etwas komisch, hatte aber nicht vor, das preiszugeben.
    »Soll ich gehen?«
    »Nein«, sagte
Affenlight. »Überhaupt nicht.« Aber er war auch nicht gekränkt, als Owen Bein
und Arm wegzog und damit eine Lücke zwischen ihnen auf dem Sofa entstehen ließ.
Er war sogar erleichtert. Er wollte nicht, dass Owen ging, aber hier haben
wollte er ihn auch nicht so recht.
    Owen sah ihn fragend
an, während er seine Karatehose zuschnürte. »Vielleicht war das keine so gute
Idee.«
    »Alles in Ordnung. Gib
mir einfach einen Moment.«
    »Ich will nicht, dass
du Dinge tust, die du nicht willst. Ich will dich zu nichts zwingen.«
    »Hast du nicht. Tust du
nicht.« Affenlights Magen grummelte unangenehm. Er war durcheinander, und ihm
fehlten die Worte. Er wünschte, Owen würde gehen, nur für eine Weile, aber ihn
zur Tür hinausgehen zu sehen, das konnte er auch nicht ertragen.
    »Wenn du hetero bist,
bist du hetero«, sagte Owen. »C’est la vie.«
    Nun, war er das? Es
stimmte, dass Affenlight sich als heterosexuell sah. Oder, besser gesagt,
zumindest nicht als schwul. Gleichzeitig aber wusste er, dass er nie wieder mit
einer Frau schlafen würde. Auch nicht mit einem anderen Mann. Er war zwar noch
nicht so alt, aber er hatte das Gefühl, vor der letzten Veränderung seines
Sexuallebens zu stehen – ab jetzt würde er mit Owen zusammen sein und mit sonst
niemandem. Niemand oder Owen.
    »Sag

Weitere Kostenlose Bücher