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Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Harbach
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Jungfräulichkeit verloren hatte. Er hätte niemals gedacht, dass er sie
noch einmal verlieren würde. Er spürte einen Hauch von Traurigkeit, jetzt wo es
geschehen war, jetzt wo er wusste, wie es war. Nicht, weil es nicht schön
gewesen wäre oder nicht wiederholt werden würde, sondern weil wieder eines der
Mysterien des Lebens entzaubert worden war.

46
    —
    Unter einer milden spätvormittäglichen Sonne gammelten die
Harpooners im Außenfeld herum und schlugen Wiffleballs hin und her – eine von
Coach Cox’ Lieblingsübungen –, als der Bus aus Coshwale eintraf. »Da sind die
Arschdödel ja«, grummelte Craig Suitcase, der Reserve-Fänger der Harpooners,
und zog in seinem Hass auf Coshwale den Schläger so hart durch, dass er den
Wiffleball komplett verfehlte. »Was für ein Haufen Arschdödel.«
    Ausnahmsweise widersprach ihm einmal niemand. Sie sahen tatsächlich
aus wie Arschdödel in ihren makellosen weinroten Coshwale-Jacken aus
Ballonseide, die sie trotz des schönen Wetters trugen, mit ihren makellosen
weinroten Coshwale-Taschen über den Schultern und ihren makellosen weinroten
Laufschuhen – die sie in Kürze gegen ihre makellosen weinroten Spikeschuhe
tauschen würden. Aus Erfahrung wussten die Harpooners, von den Frischlingen
einmal abgesehen, dass unter den Jacken makellose weinrote
Coshwale-Trainingshemden befanden, die während des kompletten Coshwale-Alleskönner-Aufwärmprogramms
getragen und erst kurz vor dem Spiel unisono ausgezogen wurden, wobei – was
sonst? – makellose weinrote Coshwale-Trikots zum Vorschein kamen, auf denen
zwischen den Schulterblättern die Nachnamen der Spieler aufgestickt waren. Henry
begriff nicht, wie sie es anstellten; ob sie einen professionellen
Reinigungsservice hatten oder einfach vor jedem Spiel eine nagelneue Ausrüstung
bekamen. Seine geliebte Nagelstreifenkombination war jede Saison bereits nach
drei Spielen voller Flecken und schmuddelig, seine Spikeschuhe, die er selbst
bezahlte, abgewetzt und durchgescheuert, bevor sie überhaupt richtig
eingelaufen waren. Coshwale hatte in den letzten zehn Jahren achtmal den UMSCAC -Titel geholt.
    Kurz darauf begann
Coshwales Fan-Armee einzutrudeln, weinrot von Kopf bis Fuß. Mit ihren
makellosen weinroten Sitzkissen und Sonnenschirmen richteten sie sich auf der
Gästetribüne ein und kehrten dann zum Parkplatz zurück, um ihre Grills
anzuwerfen. »Arschdödel über Arschdödel«, grummelte Suitcase.
    Rick tauchte neben
Henry auf. »Wo ist der Buddha?«, fragte er. »Dachte, er läuft heute auf.«
    »Ich auch.« Owen war in
der vergangenen Nacht nicht nach Hause gekommen und hatte auch das
Mannschaftsfrühstück verpasst. Womöglich sollte man sich so langsam Sorgen
machen, zumindest ein bisschen, aber Henry hatte keinen Platz mehr für weitere
Sorgen. »Er wird schon kommen.«
    Coshwale enterte zuerst
das Feld, um sich warmzuspielen. Die Harpooners sammelten sich vor ihrer
Spielerbank, machten Dehnübungen, plauderten miteinander und taten, als wären
sie nicht nervös und würden auch gar nicht hinsehen. Owen hatte den Drill der
Muskies einmal als so konzis wie die Sonette Petrarcas beschrieben; Rick hatte
sie mit der Armee Nordkoreas verglichen. Drei stämmige, in Weinrot gekleidete
Coaches schlugen gleichzeitig Bälle, die weinroten Backen vor Anstrengung
aufgebläht. Einunddreißig Spieler – ein Dutzend mehr, als die Harpooners hatten
– schnappten nach den Bällen und feuerten sich in komplizierten, ständig
wechselnden Mustern gegenseitig perfekte Würfe zu: Outfield zu Fänger, Fänger
zur First Base, First Base zur Second, Second zur Third, Third zur First, First
zur Third, Shortstop-Second-First, Third-Second-First, Second-Third-First,
Werfer-Third-First, First-Third-Werfer und dann hintereinander drei Abpraller
in Richtung Third, die der Spieler per Sprint holen und weiterleiten musste. Es
waren immer drei Bälle gleichzeitig in der Luft, und es gab keinen, der nicht
präzise ankam. Als ihre Viertelstunde vorüber war, trabten sie großspurig vom
Feld. Man hatte beinahe das Gefühl, dass sie womöglich für eine Zugabe
wiederkommen würden. Die Coshwale-Fans kehrten vom Parkplatz mit Hors d’œuvres
zu ihren gepolsterten Sitzen zurück. Auch die Heimtribüne füllte sich,
schneller und früher, als Henry es je erlebt hatte.
    Gerade als die
Harpooners das Feld enterten, kam Owen in voller Montur, marineblaue
Nadelstreifen auf Naturweiß, gemächlich die Außenlinie entlanggeschlendert,

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