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Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Harbach
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sie
küsste, nicht mit diesem Bart, und er versuchte es nicht. Vom Bart abgesehen,
war sein Körper wie das platonische Ideal eines Körpers, eine glatte weiße
Marmorstatue, wenngleich auch bereits etwas weniger muskulös, als sie ihn in
Erinnerung hatte. Einer Statue entsprechend, roch er kaum. Sie lagen leicht
aneinandergeschmiegt, die Lider geöffnet, und schauten sich an. Er kam leise,
nur mit dem Hauch eines Wimmerns. Die Leute dachten, erwachsen zu werden hieße,
dass die eigenen Handlungen plötzlich Bedeutung hatten; das Gegenteil war der
Fall.
    Draußen brach ein
frühlingshafter Samstagabend an – Grillen zirpten, Lautsprecherboxen wummerten,
Verbindungsstudenten riefen sich von einer Veranda zur anderen etwas zu. Pella
streckte den Arm aus und tastete auf dem Läufer nach ihrem Buch. Sie las
Proust, etwas, das sie nie zuvor getan hatte. Jahrelang hatte sie vorgehabt,
ihr Französisch so weit aufzupolieren, dass sie ihn im Original lesen konnte.
Aber wer wusste, wann sie dazu kommen würde.
    Henry zog seine
Boxershorts unter der Decke an, was Teil des merkwürdigen Sittsamkeitsgebaren
zwischen ihnen war, ging aus dem Zimmer und schloss leise die Tür hinter sich.
Während sich der Schlaf über sie legte, hörte Pella Wasser in die Badewanne
laufen. Darin würde er liegen, bis er Noelle oder Courtney nach Hause kommen
hörte, was heute, da Samstag war, in sechs oder sieben Stunden sein konnte oder
auch gar nicht.

65
    —
    Affenlights Meeting mit dem Hochschulrat hatte sich
hingezogen, und auch bei halsbrecherischer Geschwindigkeit dauerte die Fahrt
über zwei Stunden, sodass er erst zur Mitte des achten Innings im
Grand-Chute-Stadion eintraf. Am Getränkestand gab es, sosehr man es sich auch
wünschte, kein Bier. Er kaufte zwei Hot Dogs, versah sie mit Senf und Würzsoße
und fand einen freien Platz – nicht bloß ein Fleckchen geriffeltes Aluminium,
sondern einen richtigen Sitz zum Herunterklappen – hinter der Home Plate. Die
Farben der Titans – der Mannschaft der University of Wisconsin-Chute – waren Marineblau
und Gold, wobei das Blau dominierte, sodass Affenlight die wogenden
Menschenmassen an den Rändern seines Gesichtsfelds ohne Weiteres für
Westish-Fans hätte halten können, wenn er mit zusammengekniffenen Augen aufs
Spielfeld schaute.
    Die Harpooners lagen äußerst respektabel mit 3:0 hinten. Sie hatten
bisher toll gespielt, um dieses Regionalmeisterschaftsspiel zu erreichen,
hatten drei ihrer ersten vier Spiele der Double-knock-out-Vorrunde gewonnen,
womit sie die Erwartungen aller Beteiligten weit übertroffen hatten,
insbesondere die ihrer Gegner, die davon ausgegangen waren, sie einfach
zermalmen zu können – dennoch war, wie Owen morgens am Telefon zu Affenlight
gesagt hatte, der Gedanke, dieses Spiel zu gewinnen, wohl ein törichter. Die
University of Wisconsin-Chute war einfach eine andere Liga, eine staatlich
geförderte Universität mit fünfzehntausend Studenten und außerordentlichen
Mengen an Stolz und Geld, die in ihr Baseballprogramm flossen, was ihre
luxuriöse, anheimelnde, profimäßige Baseballanlage erkennen ließ, die eines
Regionalturniers wahrhaft würdig war. Davon ganz zu schweigen, wie Owen
hinzugefügt hatte, dass dies im Grunde ein Heimspiel für sie war.
    »Ausreden, Ausreden«,
sagte Affenlight halb im Scherz.
    »Verstecken werden wir
uns nicht«, antwortete Owen. »Etwas anderes würde Mike auch gar nicht zulassen.
Unser eigentliches Problem sind die Pitcher. Wir haben noch nie so viele Spiele
in so kurzer Zeit gemacht. Kennst du noch den alten Spruch, Erst
muss Spahn sich regen, dann bringt Sain den Segen, und am dritten Tag gibt’s
hoffentlich Regen? Bei uns müsste es Starblind und
Phlox, und dann ist’s verbockt heißen.«
    »Es
folgt der Schock.«
    » Armer
Coach Cox. Ich weiß nicht, wie lange wir das durchhalten können. Adam
hat schon zwei komplette Spiele durchgeworfen. Er hat zwar immer noch diesen
Ich-schaffe-alles-Blick, aber ich weiß nicht, ob er die Hand überhaupt noch
über Schulterhöhe bekommt.«
    Obwohl Affenlight
bereits bei einigen Spielen gewesen war, hatte er Owen noch immer nicht in
Aktion erlebt. Während er sich nun auf seinem Sitz niederließ, begab sich links
von ihm dieses wunderschöne Geschöpf ans Schlagmal. An seinem Helm war eine
durchsichtige Plastikmaske befestigt, die seine verletzte Wange vor weiterem
Schaden bewahren sollte. Owen hatte sich lautstark über die Vorrichtung
beklagt, die er wenig kleidsam und

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