Kunst des Feldspiels
mit einer Hand
an die Kappe fasst oder deinen Vornamen sagt, ist die Aktion abgeblasen, und du
musst abwarten, ob –«
»Schon gut«, sagte
Owen. »Ich lasse einfach abtropfen.« Er schnappte sich einen Schläger,
schlenderte zum Schlaghügel, nickte dem wild gestikulierenden Coach Cox
freundlich zu und ließ den Ball so perfekt abprallen, dass er am Werfer
vorbeikullerte. Der Wurf des gegnerischen Shortstops kam einen
Sekundenbruchteil zu spät ins Ziel, und Owen trabte zurück zum Unterstand, um
die Glückwünsche seiner Teamkameraden entgegenzunehmen. Diese Eigenart war
Henrys liebste im Baseball: Schlug ein Spieler einen Home Run, stand es seinen
Mitspielern frei, ihn nicht weiter zu beachten. Opferte er sich hingegen, um
die Läufer zu befreien, erwartete ihn eine lange Reihe von Händen, die es
abzuklatschen galt. »Schön gemacht«, sagte Henry und stieß seine Faust gegen
Owens.
»Danke.« Owen schnappte
sich sein Buch. »Der Werfer ist gar nicht übel.«
Die ganze Woche lang
schliefen, aßen, reisten, trainierten und spielten die Harpooners als Einheit.
Waren sie nicht draußen auf dem Platz oder in ihrer räudigen Absteige, dann
saßen sie in dem heruntergekommenen Bus fest, den sie gemietet hatten. Selbst
die unbedeutendsten Entscheidungen, etwa ob man nun bei Cracker Barrel oder Ye
Olde Buffet essen sollte, nahmen Stunden in Anspruch. »Ich liebe es, wenn ich
kacken muss«, sagte Rick. »Da bin ich endlich mal allein.«
Je öfter sie verloren,
desto schwerer war es auszuhalten, ständig aufeinanderzuhocken. Auf den zu
langen Fahrten zwischen der Baseballanlage und ihrem Motel saßen die
fortgeschrittenen Semester mit Tennant hinten im Bus und die Jüngeren mit
Schwartz vorn. Bloß Jim Toover streckte seine endlosen Gliedmaßen über die
leeren Sitzreihen des Niemandslands dazwischen aus. Gut zwei Meter groß und
Mormone zu sein hob ihn aus der Masse hervor.
Unterdessen wurde
Tennants Abwehrspiel von Tag zu Tag schlechter. Sein Gesicht nahm einen
verhärmten, verkniffenen Ausdruck an und verströmte eine schwarze Energie,
sobald Henry sich ihm näherte. Zwischen Spielen konferierte Coach Cox leise mit
Tennant, eine Hand auf dessen Schulter, während Tennant nickte und auf seine
Schuhe hinabblickte. »Er macht sich zu viel Druck«, sagte Rick, nachdem Tennant
einen Wurf zur Second Base verzogen und damit die sichere Chance vergeben
hatte, zwei Läufer auf einmal out zu machen. »Seht euch sein Gesicht an.«
Owen räusperte sich und
legte eine Hand auf die Brust. »Denn hinter ihm jagt schon heran / Henry, der
es besser kann.«
Am Donnerstagabend
legten sich Henry und Schwartz am Rand des unbenutzbaren, mit Schlick bedeckten
Pools des Motel 4 auf steife, mit Plastikgewebe bezogene
Stühle. Während sich der Boden abkühlte, schweiften Henrys Sinne umher und
begannen wahrzunehmen, was ihnen normalerweise entging: das Gewiesel der
Kakerlaken und Geckos auf den Fliesen, das Huschen der Motten vor den blauen
Sicherheitsstrahlern, den von fern herüberwehenden Geruch von Wasser. Schwartz
blätterte in einem LSAT -Leitfaden, der den Umfang eines
Telefonbuchs hatte, obwohl er den Zulassungstest zum Jurastudium erst in
anderthalb Jahren machen würde. »Ich bin ja erst im ersten Jahr«, sagte Henry.
»Ich kann warten.«
» Du vielleicht.« Schwartz sah nicht auf. »Aber der Rest nicht. Es steht sieben zu
eins. Wir brauchen dich da draußen.«
»Wenn Lev jemand sagen
würde, dass er sich keine Sorgen zu machen braucht, würde er sich vielleicht
entspannen und besser spielen.«
»Was glaubst du, was
Coach Cox bei ihren kleinen Zusammenkünften macht? Die Hälfte der Zeit
verbringt er damit, Tennant zu schmeicheln, ihm zu sagen, wie super er ist.
Aber Lev ist ja nicht bescheuert. Er weiß, dass du der bessere Spieler bist.«
»Aber das bin ich
nicht, echt nicht. Tennant spielt einfach zu verkrampft.«
»Er spielt verkrampft,
weil er ein mieser Shortstop ist. Letztes Jahr war das genauso. Er macht Fehler
und spielt dann den Beleidigten. Seine Einstellung ist einfach miserabel. Mit
dir hat das nichts zu tun, Skrimmer. Zumindest fast nichts.«
»Das hoffe ich.«
»Mit Hoffnung hat es
auch nichts zu tun.« Schwartz knallte sein Lehrbuch zu. »Es hat mit Coach Cox
zu tun. Ich habe großen Respekt vor dem Coach, aber er ist Leuten gegenüber zu
loyal, nur weil sie schon eine Weile dabei sind. Warum soll man einem Haufen
Verlierer gegenüber loyal sein? Ich bin es leid zu verlieren. Das hier ist
Amerika.
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