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Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Harbach
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viele dänische Kringle
mitgebracht hatte. Ajays winzige indische Mutter mit ihren vielen Armreifen –
und so ging es immer weiter. Ein endloser Vorrat an Müttern, nur die eine, die
man brauchte, war natürlich nie dabei.
    Er ließ sich auf die
Bank fallen, um seinen Brustpanzer anzulegen. Ganz in der Nähe begann ein Handy
zu vibrieren. Er sah sich um, bereit, jemandem einen Rüffel zu verpassen –
keine Telefone auf der Spielerbank –, bemerkte dann aber, dass es sein eigener
Klingelton war. Er öffnete den Reißverschluss an der Seite seiner Sporttasche
und warf einen verstohlenen Blick aufs Display: Pellas neue Nummer. Er hatte
außerdem mehrere Anrufe in Abwesenheit, alle von ihr. Spitzen-Idee, sich
ausgerechnet jetzt zu melden. Er machte das Telefon aus, nahm Maske und Handschuh,
ging die Stufen hinauf und gesellte sich zu seinen bereits versammelten
Teamkameraden.
    Coach Cox trug die
Aufstellung in der üblichen Weise vor, aber an seinem hastigen Bartgestreiche
war abzulesen, dass seine Nerven angespannt waren. »Starblind Avila Dunne.
Schwartz O’Shea Boddington. Quisp Phlox Guladni.« Er hielt inne, studierte ihre
Gesichter, strich sich nochmals über den Schnäuzer. »Wichtiges Spiel heute.
Sehr wichtig. Aber ihr Jungs seid bereit. Spielt zusammen, dann wird alles gut.
Ihr wisst, ich bin kein großer Redner, aber ich wollte noch sagen, dass … Ich bin wirklich stolz auf euch. Ihr Jungs seid ein Bombenteam.« Coach Cox sah
in die Runde und strich über seinen Schnurrbart, peinlich berührt von der
eigenen Blumigkeit. »Mike, willst du noch was sagen?«
    In der Nacht zuvor, als
er wach im Hotelzimmer gelegen und Speck beim Schnarchen zugehört hatte –
getrennte Betten diesmal, immerhin –, hatte Schwartz eine starke Vorahnung
gehabt, dass Henry heute kommen würde. Es ergab keinen Sinn, es war unmöglich,
und doch war die Vorahnung im Laufe des Tages immer stärker geworden, sodass
Schwartz, als er jetzt den Blick über die zusammengedrängten Spieler gleiten
ließ, überrascht war, die blauen Augen des Skrimmers nicht zu sehen. Nicht dass
Henry hier irgendetwas zu suchen gehabt hätte. Seine Anwesenheit, und sei es
nur als Zuschauer, wäre störend gewesen. Schwartz blickte ins Rund, drehte den Blick auf Stufe 7, 7½ hoch. Er selbst war glatt rasiert, der Rasurbrand war endlich
abgeklungen, aber seine Mannschaftskameraden hatten dem Entscheidungsspiel
gemäße Bärte kultiviert. Im Einzelnen rangierten die Bärte von spärlich und
armselig bis üppig und shampootauglich, zusammengenommen verliehen sie den
Harpooners das Aussehen einer zähen, abgebrühten Truppe. Ja, Henry hatte ihnen
auf dem Weg hierhin geholfen, was auch immer sie erreichen würden, war zum Teil
sein Verdienst; aber um die letzten zwölf Spiele zu gewinnen, hatten sie die
Lücke, die durch seine Abwesenheit entstanden war, schnellstmöglich schließen müssen,
und wenn die Henry-Lücke einmal zugewachsen war, gab es keinen Platz mehr für
ihn. Selbst Owen hatte eine dünne Lage weichen gräulichen Flaums im Gesicht.
    Während Schwartz wach
lag, versuchte er eine Anfeuerungsrede zusammenzubrauen, die seine Mannschaft
zur Ekstase peitschen würde. Eine richtige Feuer-und-Schwefel-Nummer, eine
Variation seines Lieblingsmotivs, dem des zeitlosen, engelhaften Underdogs, der
sich gegen den Favoriten bewährt, des Unterdrückten, der den Unterdrücker zur
Sau macht. Als Erstes würde er die Aufmerksamkeit auf das verzärtelte Weichei
lenken, das Amherst als Maskottchen diente: Der Name ihres Teams war Lord
Jeffs, nach Lord Jeff Amherst, dem britischen General aus dem 18. Jahrhundert, der dafür plädiert hatte, pockenverseuchte Decken
gegen Indianer einzusetzen. Und in den letzten dreihundert Jahren – so ging die
Rede weiter – hatte sich nicht viel geändert. Die Spieler aus Amherst waren
noch immer Lords, steckten noch immer hüfttief in althergebrachten
Machtstrukturen – man bedenke, welche Trainingsmöglichkeiten sie hatten! Man
bedenke, welche Berufsaussichten sie nach dem Abschluss hatten! Die Harpooners
hingegen hätten ebenso gut an pockigen Decken nuckeln können. Für den Rest
ihres Lebens würden sie Typen wie denen aus Amherst Rechenschaft ablegen
müssen. Zwischen den jeweiligen Durchschnittsgehältern nach dem Abschluss
klaffte ein himmelweiter Abgrund – Schwartz hatte recherchiert. Das Gleiche
galt für die Chancen, in Harvard, Yale oder der Juristischen Fakultät von
Stanford angenommen zu werden. Die erste,

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