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Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Harbach
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besuchen, President Affenlight. «
    »Großartig«, sagte
Affenlight. »Das ist großartig.« Je länger er hinschaute, umso mehr gewöhnte er
sich an die Ähnlichkeiten zwischen Mutter und Sohn. Anfangs hatte ihn die
unterschiedliche Hautfarbe irritiert. Owens Hautfarbe kam – abgesehen von
seinen zweifarbigen, metallisch-leuchtenden Hämatomen – der Affenlights ziemlich
nah, hatte allerdings einen eher aschgrauen Ton, wo seine ins Rötliche spielte.
Genevieve war von der extrem dunklen Farbe einer Westafrikanerin. Owen ist
schwarz, dachte Affenlight. Gewusst hatte er es natürlich, aber als er nun die
Mutter sah, wurde es offenkundig.
    Genevieves Gesichtszüge
waren schärfer, energischer als die von Owen, doch ihre dunklen Augen waren
nahezu identisch; die eigentlichen Übereinstimmungen aber fanden sich im
Körperbau: die gleichen schmalen, sanft abfallenden Schultern, dieselben zarten
Gliedmaßen und langen, anmutigen Finger. Die Art und Weise, wie sie sich auf
die Bettkante setzte und Affenlight mit einer kleinen, lebhaften Bewegung ihrer
Handfläche den leeren Sessel anbot, mochte sie während zahlloser Stunden der
Beobachtung von ihrem Sohn abgeschaut haben. Natürlich konnte es auch
andersherum gewesen sein.
    »Ich muss leider los«,
sagte Affenlight. »Ich wollte nur sichergehen, dass man sich gut um Owen
kümmert. Das ist« – er warf Genevieve einen beflissenen Blick zu – »ohne jeden
Zweifel der Fall.«
    »Es ist sehr freundlich
von Ihnen, sich derart zu engagieren«, sagte Genevieve.
    »Mit Vergnügen.«
Affenlight holte sein Taschentuch hervor und wischte sich über die Stirn. Er
hatte sich in einer zwischenmenschlichen Situation nicht mehr derart unbeholfen
gefühlt seit – seit gestern Abend in Owens Zimmer, mit Henry. Aber das
vorletzte Mal lag lange zurück.
    »Ich möchte mich gern
erkenntlich zeigen. Owen und ich würden uns sehr freuen, wenn Sie später mit
uns zu Abend essen könnten.«
    »Oh, das ist völlig
ausgeschlossen«, sagte Affenlight schnell, was aber unhöflich wirken mochte.
»Das heißt, ich würde sehr gern, und Ihr Angebot ist ungemein freundlich, aber
leider ist – na ja, was heißt, leider – gerade meine Tochter aus San Francisco
zu Besuch gekommen. Im Grunde« – er sah auf seine Uhr – »bin ich jetzt schon
viel zu spät dr-«
    »Ihre Tochter?«, sagte
Genevieve. »Das ist doch perfekt! Ich dachte schon, es ginge um einen
geschäftlichen Termin. Wir können zu viert essen. Ich zahle.«
    Warum, warum nur hatte
er keinen Geschäftstermin angeführt? Er warf Owen einen stummen, hilfesuchenden
Blick zu, aber Owen sah, wie er da gestützt von seinen Kissen lag, so amüsiert
und unbeteiligt aus, als schaute er sich einen Film an. »Meine Mutter ist nicht
jeden Tag in der Stadt«, gab er zu bedenken.
    Genevieve nickte. »Ich
bin allergisch gegen den Mittleren Westen.«
    »Genau wie meine
Tochter«, gestand Affenlight, und etwas in seinem Tonfall – er hörte es im
selben Moment wie Owen und Genevieve – verriet, dass er damit die Einladung
annahm. »In Campusnähe gibt es einen Franzosen«, sagte er. »Maison Robert.
Etwas heruntergekommen, aber das Essen ist sehr gut.«
    »Klingt perfekt«, sagte
Genevieve.
    Als Affenlight sich
zentimeterweise auf die Tür zubewegte, stand sie auf und öffnete die Arme zu
einer Umarmung. Affenlight versuchte den Körperkontakt so gering wie möglich zu
halten und eher eine Art Luftdrücken daraus zu machen, aber sie umschlang ihn
wie einen alten Bekannten. Ihre Oberkörper keilten den Whitman ein. »Was ist
das denn?«, frage Genevieve, ließ ihn los und tippte durch den Stoff von
Affenlights Jackett gegen den Buchdeckel.
    »Gar nichts«, sagte
Affenlight hastig. »Bloß etwas Lektüre.«
    »Darf ich?« Genevieve
gehörte zweifellos nicht zu denjenigen, die sich mit zwischenmenschlichem
Körperkontakt schwertaten. Bevor Affenlight sich entwinden konnte, griff sie
hinter seinen Jackenaufschlag und zog das Buch hervor. »Owen, sieh nur – Walt
Whitman. Dein Lieblingsautor.«
    »Whitman ist nicht mein
Lieblingsautor. Viel zu schwul.«
    »Ach, hör schon auf«,
sagte Genevieve, begleitet von einem Abwinken des Armes, der das Buch hielt.
Affenlight überlegte, es sich zurückzuholen, aber dafür war es zu spät. »Du
hast Whitman doch immer geliebt .«
    »Ja, klar, als ich
zwölf war.« Owen warf Affenlight einen Seitenblick zu. »Frischgebackene Schwule
stehen auf Whitman. Er ist so eine Art Einstiegsdroge.«
    »Ich bin mir sicher,

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