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Kunst hassen

Kunst hassen

Titel: Kunst hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Zepter
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Skulptur wie das Trinken des Bieres – wird zugleich die Zerstörung des Monuments eingeleitet. Das barbarische Abtragen einzelner architektonischer Elemente, welche zuvor von ihrem Entstehungsort nach Berlin überführt wurden, verkörpert sowohl das Prinzip des Displacements als auch den touristischen Kolonialismus.« Die Idee präsentiert sich genauso aufregend wie eine Shoperöffnung, die in Berlin Mitte zwei Straßen weiter stattfindet. Und damit zeigt Galliard, wie sehr Kunst heute verstanden wird: als endlose Party.
    Kunst ist heute in den seltensten Fällen aufregende, grenzüberschreitende und ästhetisch eindrucksvolle, ja nachhaltige Kunst. Ist Kunst, wie sie heute produziert wird, überhaupt noch zeitgemäß? Ist die Galerie noch zeitgemäß? Was ist nur noch Verwaltung? Würden sich Galeristen heute tatsächlich mit Kunst auseinandersetzen, würde es die Galerie, so wie es sie tausendfach gibt, nicht mehr geben. Der Raum würde verschwinden, der Rahmen würde verschwinden, die Fläche ebenso, das nette Mädchen hinterm Tresen wäre vergessen – und die stille Übereinkunft zwischen Kunst und Markt würde eine neue, aufregendereForm gewinnen. Denn das Klischee Kunst ist das Ergebnis eines Zwangs, der der Kunst auferlegt wurde. Die vermeintliche Freiheit, der Zugang zu allen Werken, in alle Museen, zu jeder Kunst wird zu einem Zwang, wenn der Anspruch der positiven Erwartung stets mitschwingt. Es ist ein »Alles-sehen-Müssen«, ein verzweifelter Blick, der Schönheit und Sinn sucht und angeblich auch findet. Kunst, das ist heute etwas in sich Abgeschlossenes, vor sich selbst Schützendes, in sich Gefangenes, sich ständig Wiederholendes. Das Diktum der Freiheit, das auf der Kunst liegt, seit sie von ihrem gesellschaftlichen Auftrag befreit ist, ist auch ihre Isolation. Sie ist in sich gefangen. Der amerikanische Dichter John Ashbery schrieb 1968 in The Invisible Avantgarde: »What makes innovative work exciting is that you’re never sure it’s any good. Recklessness is what makes experimental art beautiful, just as religions are beautiful because of the strong possibility that they are founded on nothing.« Doch wer glaubt, Kunst habe die Religion ersetzt, der irrt. Wir glauben heute nicht mehr an die Kunst wie an einen Gott, wir glauben an die Kunst wie an den Weihnachtsmann.

»Auf ein Jahrhundert bezogen gibt es eigentlich ganz wenige Künstler.«
Ein Gespräch mit dem Kurator und Direktor des Hamburger Bahnhofs Prof. Dr. Eugen Blume über Kunst im Museum
    Zurück im Hamburger Bahnhof. Das Museum für Gegenwart steht unweit des Hauptbahnhofs, ein alter Bau zwischen Spree und Parkplatz, der von Fabrikgebäuden und Lagerhallen umsäumt wird. Direkt hinter dem Haus wird in einem Großmarkt Fisch angeboten. Prof. Dr. Eugen Blume, der Leiter des Ausstellungshauses, steht am Fenster. Weißes Haar, tiefe Stirn, gestutzter Vollbart. Sein Blick fällt auf den parkähnlichen Eingang des Hauses: Kieswege zwischen dunklem Grün, die zum Haupteingang führen. Er spricht mit warmer, ruhiger Stimme. Das Haus ist ein junges Haus, 1996 wurde es eingerichtet und heißt aufgrund seiner Geschichte »Hamburger Bahnhof«. Es trägt wie viele Ausstellungshäuser einen Claim in seinem Titel, eine Art nähere Beschreibung, um dem Inhalt des Hauses gerecht zu werden: »Hamburger Bahnhof: Museum für Gegenwart«.
    Das Museum, also etwas Bewahrendes, Konservatives und die Gegenwart, also das Augenblickliche treffen im Hamburger Bahnhof zusammen. Die leicht paradoxe Bezeichnung »Museum für Gegenwart« kann Eugen Blume erklären: Es umschreibt die Aufgabe, diejenige Kunst ausder Gegenwart auszuwählen und zu bewahren, die auch in Zukunft bestand hat. Eine große Verantwortung. Für ihn ist Kunst eine Denkform, die es erlaubt, innerhalb der menschlichen Möglichkeiten über das Sein zu reflektieren:

    Wenn ich meine Kollegen aus den 20 er Jahren betrachte, dann sehe ich ihre Arbeit in einem bereits damals schon breit gefächerten Spektrum der Kunst. Die Wahl lag zwischen der sogenannten Avantgarde und »konventionell« arbeitenden Künstlern. Wir haben immer das Gefühl, dass die Namen, die wir heute mit dieser Zeit in Verbindung bringen, die einzigen waren. Wir vergessen das große Umfeld, das von Hunderten, von Tausenden Künstlern besetzt war, deren Namen wir überwiegend vergessen haben!
Haben wir vergessen, oder können wir es einfach nicht wissen?
    Ja, wir wissen es eigentlich nicht. Es bedürfte einer Recherche und

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