Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kunst hassen

Kunst hassen

Titel: Kunst hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Zepter
Vom Netzwerk:
Ausstellung ist ein immer wiederkehrendes Theater mit gleicher Bühnenausstattung. Aber zeitgenössische Kunst soll doch eigentlich Grenzen erweitern. Zumindest ihrem Ideal nach. Die britische Autorin Sarah Thornton ( 7 Tage in der Kunstwelt ) schreibt, Kunst sei Sport fürs Gehirn. Und: Leute fühlen sich besser, wenn sie regelmäßig Ausstellungen besuchen. »Art is a better mindexpander than drugs.« Aber stimmt es wirklich, dass Kunst heute unser Leben bereichert und aufregender macht?
Das Abstrakteste, was er je gemacht hat
    Kunst – was ist das überhaupt? Und wo finden wir sie? Der Sammler Eugene M. Schwartz riet 1970 in seinem Vortrag »Confession of a poor collector« am New Yorker Cultural Center: »Look for the ›Oh my God‹ reaction. The reaction that literally takes your breath away when you stand in front of a great painting.« Liegt es an der Vielzahl der Bilder, mit denen wir heute leben, an der Konkurrenz der Unterhaltungsindustrien untereinander oder am oft gescholtenen Massenangebot des Internets, dass diese Reaktion einfach nicht mehr eintreten will? Ist es die Präsentationsform, der fehlende geschichtliche Rahmen, der die Werke in einen Kontext setzt, in dem sie nur verlieren können?
    In Berlin behaupten die »Kunstwerke« aufregende Kunst zu zeigen. Die Ausstellung heißt »Absalon«, genauso wie der Künstlername des Künstlers. Ein Israeli, 1994 jung an Aids gestorben. Es ist der ironische Höhepunkt eines Kunstrundgangs in Berlin, wenn gleich zu Beginn der karge Raum einen mit zeitgenössischem »Kunstweiß« erschlägt: weiße Modellhäuser auf weißem Grund, in den weiteren Etagen weiße Modelle dieser Häuser sowie weitere abstrakte weiße Formen vor weißer Wand. Zusätzlich Zeichnungen der Modelle und einige Videos. In der ersten Etage sitzt ein Mädchen auf einem Holzstuhl und liest Anaïs Nin. Sie erklärt auf Nachfrage mit freundlicher Stimme, warum Absalon seine Modelle gebastelt hat, dass die einzelnen Häuser für den Gebrauch in verschiedenen Städten wie Tokio, Frankfurt oder London entstanden sind. Es sind beengte, aufs Nötigste reduzierte Räume. Das Mädchen sagt, dass sie glaubt, Absalon sei ein trauriger und einsamer Künstler gewesen. Im Pressetext ist zu lesen: »Reduziertauf ein striktes, geometrisches Formenvokabular, zeugen diese Handlungsräume in ihrer bedingungslosen Abstraktion allerdings weniger von einer utopischen Dimension. Es sind stattdessen heterotopische Räume, die Absalon mit der Absicht, selbst darin zu leben, in sechs Metropolen aufstellen wollte, um seine eigene physische Existenz mit dem gesellschaftlichen Corpus zu konfrontieren: ›Sie sind keine Lösungen für Isolation. Sie sind gemacht, um das Soziale zu leben.‹«
    In der zweiten Etage sitzt ein junger Typ auf einem Holzstuhl, er trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift des Hauses: KW . Er lacht auf die Frage kurz auf, warum Absalon seine Werke produziert hat. Er erzählt, dass viele Werke entstanden sind, als der Künstler schon an Aids erkrankt war. Vielleicht gehe es darum, sich Lebensraum zu erkämpfen, sagt er und zeigt auf ein Video, in dem Absalon in einem leeren, weißen Raum immer wieder versucht, zu laufen, loszulaufen. Und mit fragendem Blick auf eine weiße Skulptur: »Das ist nicht konzeptionell gedacht, das ist einfach, was es ist.« Auf der nächsten Etage ein weiteres weißes Modell, das den ganzen Boden bedeckt. »Bitte gehen Sie nur außen herum«, ermahnt ein Mädchen, das wieder auf einem Holzstuhl vor dem Werk sitzt. Sie überlegt kurz, auf die Frage hin, warum das Modell entstanden sein könnte. »Das ist sicher das Abstrakteste, was Absalon je gemacht hat.«
Kunst als Ruine
    Auf dem Weg zurück zum Eingang stapeln zwei Männer mehrere Kisten türkisches Efes-Bier. Ein paar Wochen später haben sich die Bierkisten vervielfältigt und in einKunstwerk verwandelt: Cyprien Galliards »The Recovery of Discovery«. Eine meterhohe Pyramide aus blauen Bierkisten, die sich nach der Eröffnung von Ausstellungstag zu Ausstellungstag in eine Ruine verwandelt, weil das Bier von den Gästen getrunken wird. Das Bier der Marke Efes wurde aus der Türkei geliefert und bildet die Grundidee, wie der Pressetext erzählt: »In Anlehnung an die Versetzung des Pergamonaltars wurden 72 . 000 Flaschen Bier der Marke Efes aus der Türkei nach Deutschland transportiert. Die mit Bierflaschen gefüllten Kartons bilden die gleichmäßigen Stufen einer Pyramide. Durch die Nutzung – das Erklimmen der

Weitere Kostenlose Bücher