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Kunst hassen

Kunst hassen

Titel: Kunst hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Zepter
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mehr in einem Erweiterten Kunstbegriff aufgelöst, der auf das soziale Feld zielt. Beuys hat da einen gewissen Endpunkt in der Kunst gesetzt. Aber solange Kunst die Gestaltfrage innerhalb ästhetischer Konventionen ernst nimmt, wie gewagt es auch aussehen mag, bleibt sie im Rahmen des historisch als kulturelle Konvention gewachsenen Begriffs Kunst. Für den Betrachter spielen solche Überlegungen allerdings kaum eine Rolle. Er möchte eine sinnliche Erfahrung haben, etwas, was die gewöhnlichen Erfahrungen überschreitet. Die in den komplizierten Prozess der Kunst Eingeweihten müssen als Mittler diese Erfahrungen ermöglichen.
Der Eingeweihte sind Sie?
    Ja. Und die Künstler selbst und diejenigen, die sich damit beruflich auseinandersetzen. Kunsthistoriker, Kuratoren …
Warum stellen Sie dann die Kunst aus?
    Weil in jeder Kunst ein wertvoller utopischer Gedanke liegt. Ich meine ja nicht, dass Kunst überhaupt nicht zugänglich wäre, sondern dass die Museen diesen sehr komplizierten Prozess, der sich in den Kunstwerken verbirgt, für diejenigen, die es interessiert, transparent machen müssen. Das Publikum ist an die Werke heranzuführen und möglichst für einen freien Diskurs über diese Werke zu interessieren. Es gibt den sehr schönen Satz von Beuys: Museen sind Universitäten mit Objekten. Im Grunde genommen ergibt sich daraus die Möglichkeit, wissenschaftlich und allgemein über das Sein zu reflektieren. Künstler treten aus dem rationalen Prozess während des Schaffens aus, sie bewegen sich im irrationalen Raum, in dem aber gleichwohl alle Themen der »normalen« Welt vorhanden sind. Es ist nur eine andere Form des Denkens.
Der Besucher nimmt nicht am Diskurs über die Qualität von Kunst teil.
    Ja.
Es ist kein demokratisches System, wir können keine Bestsellerlisten durch Abstimmung beeinflussen.
    Ja schrecklich, ja.
Wir können nicht Buh rufen wie am Ende einer Vorstellung.
    (Lacht.)
Wir können nicht klatschen.
    Ja, aber sich begeistern.
Wir sind stille Besucher, die murmelnd durch die Hallen gehen.
    Ja, auch sprechend, nicht nur murmelnd.
Klingt nicht aufregend und grenzerweiternd. Verhindert die Institution Museum, dass Kunst als ästhetische Praxis erfahren wird?
    Es gibt einen idealen Auftrag an die Institution Museum – dieser ideale Auftrag wird von keinem Politiker und von nichts und niemandem bestimmt, auch nicht von denen, die die Posten in den Institutionen einnehmen. Den Auftrag nämlich: Herauszufinden, was unter Kunst der Gegenwart das geistige Kapital für die Zukunft bereitstellt.
Eine Berechnung auf die Zukunft …
    Ja. Möglicherweise ist die Vorstellung, was das Kapital der Zukunft sein könnte, je nach Personen, die die Ämter ausfüllen, schwach oder eben stark entwickelt. Da gibt es ein Wechselspiel, was man, glaube ich, nicht ideal organisieren kann. Es sei denn, man hat eine geniale Person an der Spitze, die das Bewusstsein für Qualität unter den Mitarbeitern schärft. Wichtig ist für mich – Derrida hat diesen Begriff der Unbedingtheit für die Universitätgeprägt –, dass das Museum unbedingt bleibt, frei bleibt in seinen Entscheidungen.
Was ich anzweifeln möchte …
    Wie unfrei die Personen darin auch sein mögen. Es ist die Idealvorstellung des Museums, die zur Freiheit herausfordert und sie auch ermöglicht.
Wie erreichen Sie dieses Ideal?
    Zunächst einmal genüge ich mir nicht, in dem was ich erreicht habe. Mit den Jahren entwickelt sich ein nicht zu unterschätzendes Erfahrungskapital, was natürlich bei allen anstehenden Entscheidungen sehr hilfreich ist. Die Vitalität nicht aufzugeben, verstehen zu wollen, was in der Gegenwart passiert, halte ich für unverzichtbar.
Wie fließen Ihre Ideen konkret mit ein?
    In Ausstellungsthemen. Zum Beispiel in die Ausstellung »Dream Passage« von Bruce Nauman, das ist die letzte, die ich gemeinsam mit meiner Kollegin Gabriele Knapstein kuratiert habe. Den Versuch, den diese Ausstellung unternimmt, die Erfahrungsästhetik von Nauman in den jetzigen Diskurs über gesellschaftliche Fragen hineinzubringen – die Fragen, die Nauman stellt und die wir bereits angeschnitten habe, dem Publikum nahe zu bringen, halte ich für außerordentlich wichtig.
Ich habe die Ausstellung besucht – nennen Sie mir doch ein Werk, wo ich diese Auseinandersetzung erfahren kann.
    Der Raum, der auch nach der Ausstellung fortexistiert, am Ende der Rieckhallen: »Room With My Soul Left Out, Room That Does Not Care« von 1984 , behandelt für michein

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