Kunst hassen
mitmacht, ist raus. Das spiegelt die Leistungsgesellschaft wider, an deren Spitze die wenigen Einflussreichen stehen und am unteren Ende diejenigen, die sich und ihre Familien ernähren müssen.
Der Sammler Falckenberg erzählt: »Die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte ist nicht frei von Ironie. Angetreten mit dem Ziel der Avantgarde, die Kunst jenseits elitärer Vorstellungen im Leben der Menschen zu verankern, ist sie eben dort wieder angekommen. In einer Gesellschaft des Spektakels mit gesponserten Events und Großveranstaltungen, die Kunst zu Kulturbetriebsmitteln degradieren, und in einem Kunstmarkt mit Spitzenpreisen für wichtige Arbeiten, die nur wenige Reiche und exquisite Kunstinstitutionen aufbringen können. Man darf diese Entwicklunggetrost als Refeudalisierung der Kunst verstehen.« Falckenberg als steinreicher Sammler ist natürlich das beste Beispiel für eine Refeudalisierung. Auch, wenn seine Sammlungsauswahl und Präsentation, die »Sammlung Falckenberg« in den Harburger Phoenix-Hallen, wunderbar sind. Viel zu oft gilt jedoch: Je feudaler der Betrieb, desto bedeutungsloser die Kunst.
Denn die muss schon lange nicht mehr nur übers Sofa, sondern auch in die Lobby großer Konzerne passen. Der Kunstbetrieb banalisiert sich selbst, weil er keine Antwort auf den Druck von außen hat, sondern mitspielt. Es reicht nicht, diese Entwicklung nur zur Kenntnis zu nehmen. Galeristen und Sammler liegen falsch, wenn sie glauben, dass die Banalität durch passionierte Sammler ausgeglichen wird, die sich mit ihrer Kunst auch beschäftigen. Wenn ein Zustand mit Bedauern, aber ohne Willen zur Lösung hingenommen wird, ist das Kapitulation. Hier beginnen die Akteure ihre Verantwortung zu leugnen. Man sollte »die passionierten Sammler« unterstützen, damit sie wahrgenommen werden. Dabei hat sich der Druck innerhalb des Betriebs gefestigt. Damit er bestehen bleibt, gibt es Eltern, die darauf achten, dass die Regeln eingehalten werden. Sie werden jährlich auf unterschiedlichsten Listen der »Einflussreichen und Mächtigen der Kunstwelt« genannt. Die Zeitschrift Artreview veröffentlicht jedes Jahr die » 100 Most Powerful People In the Art World«. Die Kriterien, nach denen ausgewählt wurde, lauten Einfluss, finanzielle Mittel und Aktivität in den letzten zwölf Monaten. Auf der Liste des Jahres 2011 stehen auf den ersten drei Plätzen: Der Künstler Ai Weiwei (Platz 1 ), der Kurator und Museumsdirektor der Serpentine Gallery Hans Ulrich Obrist zusammen mit der Kollegin Julia Peyton-Jones (Platz 2 )sowie der Direktor des MoMa in New York, Glenn D. Lowry (Platz 3 ). Unter den ersten zehn finden sich vier Museumsdirektoren, drei Künstler und drei Galeristen.
Insgesamt ein familiäres Bild: Es gibt den Onkel, der immer so viel redet (Hans Ulrich Obrist), den abtrünnigen Bruder (Ai Weiwei) und die komische Tante (Cindy Sherman). Der Papa heißt Larry Gagosian. Der amerikanische Sammler und Galerist begünstigt Künstler vor allem finanziell, indem er auf Auktionen ihre Preise in die Höhe treibt. Er wird zum Katalysator ihres Werks. Kunst wird dann zur Kunst deklariert, wenn sie heute innerhalb dieses Systems akzeptiert wird. Die Gegenmacht fehlt, um Kunst überhaupt wieder als Gegenmacht zu installieren. Museen werden zu Eventstätten, die weder für den Galeristen noch den Ausstellungsmacher interessant sind. Als Kunde steht das Museum mit seinen langen Entscheidungsprozessen und geringerem Budget ganz hinten auf der Liste. Die gehandelte Kunst wandert in Privatbesitz und private Sammlungen, die ihre Besitzer in den eigenen Museen ausstellen.
Wenige Einflussreiche bestimmen den Markt
In den 70 er Jahren sah die Welt noch etwas übersichtlicher aus. Damals schrieb der Schriftsteller Tom Wolfe seinen Kunsthasser-Essay »The painted word« (Das gemalte Wort, 1975 ). Die Struktur innerhalb des Kunstbetriebs ist jedoch die gleiche geblieben: Einige wenige bestimmen, was die Öffentlichkeit als wertvolle Kunst wahrnimmt. Tom Wolfe zeterte: »Die Entscheidungsträger in der Modernen Kunst – das sind Fachjournalisten in den Zeitschriften und Medien, Museumsleute, Galeristen, Kunsthistorikerund schließlich die Künstler selbst – setzen sich international gesehen nämlich folgendermaßen zusammen: 750 in Rom, 500 in Mailand, 1750 in Paris, 1250 in London, 2000 in Berlin, München und Köln / Düsseldorf, 3000 in New York City und 1000 verteilt über den Rest der Welt. Das sind ca. 10.000 Seelen verteilt auf 8
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