Kunst hassen
Oder den Selbsterhaltungstrieb eines Künstlers, der seine Arbeit bis zum Exzess wiederholt; innerhalb seines eigenen Werks oder innerhalb der Kunstgeschichte, ohne dass er dabei auf Fragen stößt. Im besten Falle bewahrt der Kritiker Haltung, die durch ebendiese Tatsachen gestützt wird.
In der Kunst ist die polemische Meinungsäußerung jedoch selten, so dass über sie wie über einen alten Film gesprochen wird: Die Kritiker Clement Greenberg oder Rosalind Krauss schrieben einflussreich an der Kunst der Moderne und Postmoderne mit. Heute herrscht eine langweilige Political Correctness. Es ist immer noch eine Zeit der rauschenden Partys, aber nicht des Rausches, des Sich-zur-Schaustellens, nicht der Show, der Namenskulte, nicht der Namen. Es ist eine Zeit des Einschlafens und Absterbens, nicht eine Zeit des Aufwachens und der Wiedergeburt. So mögen auch Künstler heute die Kritik nicht wirklich. Eine künstlerische Idee in eine Form zu pressen, um sie markttauglich zu machen, erscheint vielleicht noch blasphemisch. Auf solch eine Art kollektiver Abneigung kann sich jeder einigen. Was aber, wenn ein Gedanke in eine Form gepresst wird, nur um zu gefallen? Also was, wenn Kunst nur noch als Eigenwerbung funktioniert, nicht aber ihren authentischen Charakter zum Vorschein bringt? Es ist dieser Starkult, der Künstler mehr als jemals zuvor verzweifeln lässt. Wer werde ichmit diesem Werk sein? Werde ich überhaupt noch jemand sein? Wo so viel Angst herrscht, kann nichts Ehrliches entstehen. Weder bei der Kunst, noch bei der Kritik.
Das Wesen der Kunst stiftet Verwirrung
Wie man das Blatt auch dreht und wendet, ein eindeutiges Urteil lässt sich heute in Kritiken nur schwer ableiten. Ein Urteil macht angreifbar – eine Sache gefällt oder gefällt nicht. Sie ist gut oder schlecht, richtig oder falsch, eindeutig oder uneindeutig, bedeutend oder unbedeutend. Das ist in einer Welt, in der es strotzt vor Bedeutung, unpassend. Zudem bestimmt ein Urteil die Art und Weise, wie wir ein Ding sehen und wie wir mit ihm umgehen, was eine hohe Verantwortung bedeutet. Übernehmen möchte sie anscheinend niemand. Nun ist es allerdings nicht so, dass in der Kunst prinzipiell auf Urteile verzichtet würde: Jede Beschreibung einer Ausstellung im Feuilleton, jeder Einzug ins Museum und in die Kunstgeschichte, jede Akzeptanz einer Galerie, jede Ablehnung des Marktes ist ein erstes Urteil. Dies sind jedoch scheinbar unsichtbare, wie in stiller Einkunft vereinbarte Erkenntnisse, die weder transparent noch öffentlich nachvollziehbar sind.
Das Problem ist also nicht, dass nicht versucht wird, die Frage »Was ist gute Kunst?« zu beantwortetn. Das Problem ist: Sie wird nicht richtig gestellt. Jeder Text mit einer Haltung würde sich dieser Frage nach der Qualität in der Kunst zumindest annähern. Denn Kunst ist per Definition etwas, das jenseits unserer Erfahrung liegt. Sie ist unerreichbar. Sie ist in ihrem Ideal ein Utopia. Eine Erlösung. Eine andere Realität. Wie soll sie also beurteilt werden können? Indem zum Beispiel beschrieben wird, was genaudieses Utopia ausmacht. Ob es überhaupt um ein Utopia geht. Welche Erlösung, welche andere Realität erreicht werden soll. Und ob das Werk – im Auge seines Betrachters, des Kritikers – diese Aufgabe erfüllt. Dazu ist der Verriss notwendig.
Wenn der Kritiker erst mal keinen Platz mehr in der Kunstwelt hat, dann ist er endlich dort angekommen, wo er in Ruhe arbeiten kann. Die Spalten eines Zeitungsartikels reichen aus, um Kontext herzustellen, Rückgriffe zu leisten, Werke neu einzuordnen, Kunst jetzt zu definieren. Feindbilder gibt es nicht mehr? Dann muss der Kritiker genauer hinsehen. Ist heute alles so differenziert geworden, so unübersichtlich? Dann kann der Kritiker neu ordnen. Kunst hat weder etwas mit Elite noch etwas mit Intellekt zu tun. Die moralische Haltung eines Kritikers heute: Regeln ignorieren und sich endlich mal danebenbenehmen.
Wellness im Museum
Was wir an der Kunstwelt als schön empfinden, zeigt, welchen Wert wir der Kunst selber geben. Kunst ist nichts Besonderes mehr. Sie ist ein Lifestyle geworden. Alles ist schön. Und man hat das Gefühl, dass der Rahmen, in dem Kunst stattfindet, grandioser nicht sein könnte. Die Menschen, die Messen, die Museen. Letztere können dabei so schön und behaglich sein, dass man in ihnen wohnen möchte. Das Louisiana Museum in Humlebaek bei Kopenhagen ist so ein Museum. Eine schneeweiße Patriziervilla, die als Haupthaus und
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