Kunst hassen
Städte. Mehr nicht! Diese oberen 10 . 000 machen die ganze Moderne Kunst. Die restlichen hundert Millionen werden lediglich informiert. Das heißt für die amerikanische Kunst, dass sich fast alles in New York City abspielt und zwar auf einem sehr überschaubaren Areal in Manhattan. Die Öffentlichkeit, die in der Literatur, in der Musik und im Theaterleben mitbestimmt, hat in der Kunst, in der Malerei und der Plastik, nichts zu sagen. Hier wird sie mit bereits feststehenden Tatsachen konfrontiert, die die Kulturwelt eines ganz engen Kreises ausgewählt hat.«
Partizipation hinter dem roten Seil in einem Museum, und trotz der Globalisierung, einige wenige Obere, die über den Markt Kulturgüter bewerten – Distanz ist auch heute noch ein wesentliches Merkmal in der Betrachtung und Beobachtung der Kunst. Ironischerweise, da Kunst heute jedem zugänglich erscheint. Wahrgenommen werden vor allem die sogenannten Stars. Diejenigen, die sich über eine Galerie, die Medien und hohe Preise so gut wie möglich vermarktet haben. Der Wettbewerb begründet einen Starkult, den jeder Kunstliebhaber für verdächtig halten muss. Denn es gehört zum Wesen des Wettbewerbs, dass schon der Zweitplatzierte als Verlierer gilt. Ein Markt strebt nach Übersichtlichkeit. Es profitieren nur wenige, die allerdings überproportional. Während Künstler wie Damien Hirst, Urs Fischer oder Jeff Koons große Wertsteigerungen erfahren, bleibt ein immer größer werdenderTeil ausgeschlossen. Während sich mehr als 380 . 000 Menschen innerhalb von drei Monaten die Gerhard-Richter-Ausstellung »Retrospektive Gerhard Richter: Panorama« in der Neuen Nationalgalerie in Berlin ansehen, finden andere ihre Öffentlichkeit in einem Kunstverein – oder während einer Restauranteröffnung in Berlin Mitte. Bekannte Namen verkaufen, denn der Bauer frisst nur, was er kennt. Die Folge ist eine Gesamtgesellschaft, wie wir sie aus dem Popbusiness genauso kennen wie aus der Autoindustrie: Immer weniger verdienen immer mehr auf Kosten der Vielfalt und Gerechtigkeit.
Das? Das ist von Gagosian.
Freud sagt, die Ziele des Künstlers seien Geld, Ruhm und schöne Liebhaber. Ich glaube nicht, dass Freud recht hat. Aber ich glaube, dass der Ruhm das Verlangen nach der Kunst abschwächt oder gänzlich auslöscht. Kunst ist ein Business. So kommt Kunst auch schon lange nicht mehr aus der genialen Wildnis des Ateliers – sie kommt seit Jahrzehnten aus der Fabrik. Dort werden Marken wie Jeff Koons produziert. In Koons’ Atelier arbeiten 127 Mitarbeiter: Maler, Bildhauer, Manager und Assistenten. Seine Werke werden von Christie’s Eigentümer Francois Pinault gesammelt, der auch die Koons-Ausstellung »Jeff Koons Versailles« zu großen Teilen finanziert hat. Die Ausstellung, die vor allem Koons’ gigantische Skulpturen zeigte, wurde im September 2008 eröffnet. Nur wenig später versteigerte der Künstler Damien Hirst bei Sotheby’s London mehr als 200 extra für diese Auktion angefertigte Werke. Der Erlös: 111 Millionen Pfund. Koons und Hirst an der Spitze in jenem Monat, in dem die Lehman Brothers Bank ihrenBankrott erklären musste und damit eine ganze Weltwirtschaft in die Krise stürzte.
Der Sammler Falckenberg kann dazu einen Witz erzählen: Ein Investment-Banker hat zu einem Dinner in sein Apartment in die Park Avenue geladen. Die Gäste bewundern neben seiner wunderschönen Wohnung auch die Kunstsammlungen. Besonders ein Gast schreitet von Gemälde zu Gemälde, bewundert Skulptur um Skulptur. Bis er lange vor einem Gemälde stehen bleibt und dann den Besitzer fragt: »Von wem ist dieses Werk?« Und der Gastgeber antwortet: »Das? Das ist von Gagosian.«
Der Kunstmanager
»Ihre Anregungen, Kommentare und Beschwerden sind uns willkommen …«, steht auf einem Blatt Papier, das auf dem Kassentresen der Hamburger Deichtorhallen neben der Information zur Ausstellung und Werbung zur Hamburger »Kunstmeile« liegt: »Gern möchten wir unser Haus noch besucherfreundlicher machen. Ihre Kommentare sind uns eine große Hilfe für die Verbesserung des Hauses und der Angebote. Sagen Sie uns bitte, was Sie stört oder vermissen, vielleicht auch, was Ihnen gefallen hat. Dieses Blatt können Sie dem Mitarbeiter an der Kasse geben. Es wird schnellstmöglich an die Geschäftsführung weitergegeben. Vielen Dank für Ihre Unterstützung!«
Viele Besucher werden das Blatt an diesem Tag nicht in die Hand nehmen. Sie kommen zur Tür herein, stellen sich wie gelernt in die
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