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Kunst hassen

Kunst hassen

Titel: Kunst hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Zepter
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Eingangsportal des Museums dient, links und rechts ein moderner Bungalowanbau, dessen weite Fensterfronten den Blick auf einen Park freigeben. Der Park endet am Sandstrand des Öresunds, seine obere Grenze wird vom Kies des Parkplatzes gesäumt. Humlebaek ist kein gewachsener Ort, eher eine Ansammlung von kleinen Häuschen, die sich zwischen Wald und Meer befinden, es gibt einen S-Bahnhof, einen Blumenladen, einen Bäcker, der sein Schaufenster mit Sonderangeboten und den Titelseiten der Zeitungen plakatiert hat. Gerade genug seltsame Einsamkeit, um »Twin Peaks« erneut zu drehen.
    Das Louisiana Museum wurde 1958 als Museum für moderne Kunst gegründet. Es zeigt Ausstellungen moderner und zeitgenössischer Künstler und besitzt eine Sammlung mit Werken von Picasso, Warhol, Henry Moore, Louise Bourgeois, Georg Baselitz oder Sigmar Polke. In einem Gang hängt wunderbar beiläufig eine Fotografie von Cindy Sherman. Jedes Jahr bietet das Louisiana Ausstellungenoder Events, die über den klassischen Kunstkontext hinausgehen: Architekturausstellungen, Literatursymposien, Konzerte. Es gibt einen sehr großen Museumsshop, mit vielen Büchern zu moderner Kunst, Design und Architektur und ebenso vielen Objekten skandinavischen Designs: Vasen, Lampen, Lederjacken und Schals. Das Restaurant hat einen offenen Kamin, und der Blick über Park und Meer ist so wunderschön, dass viele Gäste zunächst dort einen Kaffee trinken gehen und bleiben.
    Der rechte Flügel führt in eine große Ausstellungshalle, auf deren oberer Etage ein Einmeterbrett zum Fenster herausführt. Man kann also wahlweise in den Himmel oder den Öresund springen. Je weiter man die Treppen emporsteigt, die Gänge entlanggeht, das alte Holz der Aula riecht, die goldenen Türklinken herunterdrückt, desto stärker wird man in den Sog des guten Lebens hineingezogen. Es ist das Klischee eines wohl situierten Lehrerehepaars in ihrer studentischen, bewusst nicht feudalen Bibliothek, zwischen Zettelkästen und Grünpflanzen, welches einem hier als Milieuvergleich in den Sinn kommt. Wären sie cool, hätten sie Eames-Stühle. Das Louisiana ist so cool. Es ist nicht ungemütlich. Im Gegenteil. Es ist einfach sehr schön. Und hier stellt sich die Frage: Darf es in einem Museum zu schön werden? Vielleicht ist es zunächst zu protestantisch gedacht, doch die Frage führt zur Überlegung: Kann ein Museum zu schön sein? Kann es zu weiß, zu reich und zu demokratisch sein? Kann es zu gefällig sein?
    Es ist nicht so, dass diese Art von Schönheit eine Langeweile produzieren würde, die nicht auszuhalten wäre, wie es ausreichend viele Kunsthäuser schaffen. Diese Art von Schönheit generiert im Gegenteil einen Standard,den man nicht mehr unterschreiten kann. Das Museum ist dadurch zum Wellnesstempel geworden – so auch die documenta, über die ein deutsches Magazin schreibt: »Zeitgenössische Kunst kann schwierig und anstrengend sein – muss sie aber nicht.« Und dann listet sie Kunst auf, die die Besucher entspannen soll. Ein »Sanatorium« mit Anti-Gewaltraum des mexikanischen Künstlers Pedro Reyes. Hängematten im Park der Künstler Apichatpong Weerasethakul und Chai Siri aus Thailand. Ein mit Gras und Blumen bewachsener Schutthaufen namens »Doing nothing garden« des chinesischen Künstlers Song Dong. Eine meditativ synchron schwappende Welle des italienischen Künstlers Massimo Bartolini.
    Gute Kunstwerke haben dagegen die Kraft, ein Versprechen zu beinhalten: dass sie alles verändern können. Dieses Versprechen wird immer wieder erneuert – und immer wieder gebrochen. Wird es zu gemütlich, gibt es keinen Nährboden für wirkliche Veränderung. Unser gutes Leben ist die Grenze. Es zeigt, welchen Standpunkt wir einnehmen – wir hier, die Kunst da. Dazwischen eine weiße Linie am Boden oder ein rotes Band vor dem Werk. Irritation ist schwer möglich, wenn sich nach der Kunst der Blick im Feuer des Kamins verliert – oder in einem dänischen Zimtkringel.
    Das Louisiana Museum ist ein Ort der Entspannung. Ein Ort, zu dem die Menschen zurückkehren, vor allem der Atmosphäre wegen: Meerblick und Tannenrauschen im Skulpturenpark, im Hintergrund die gutbürgerliche Villa. Das zeigt das Imagevideo des Museums auf der Website. Es sieht aus wie der Werbespot eines Boutiquehotels. Im Kern ist es unehrlich. So wie Kitsch, der die Oberfläche zeigt und niedere Instinkte anspricht, definiert sich hierdie Attraktivität über den Rahmen. So verselbständigt sich im

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