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Kunst hassen

Kunst hassen

Titel: Kunst hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Zepter
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wonach richtet er sich dann? »Ich folge beim Ausstellungsmachen meiner Intuition. Die Frage lautet für mich: Wie sehr bin ich selber davon in den Bann gezogen?«
    In einem Internetvideo auf der Website der Deichtorhallen erläutert Luckow das Ausstellungskonzept zu Poul Gernes, ganz zum Schluss zeigt er auf ein kleines Männchen in dem Ausstellungsmodell und sagt: »Es ist gut, wenn der Besucher gleich von vorneherein dabei ist, denn natürlich ist er dann, wenn die Ausstellung eröffnet wird, am allerwichtigsten.«

Unter Beobachtung
    Warum bewundern wir Kunst, die uns langweilt? Weil wir gnädig sind. Betreten wir ein Ausstellungshaus, sagt uns unsere Erfahrung, dass die ausgestellten Werke etwas Besonderes sein müssen. Doch warum glauben wir ihnen? Weil wir ihren Häusern glauben. Wir glauben einem Museum. Einer Galerie. Selbst einer Kunstmesse. Sie sind die geweihten Räume der Kunst. Das Haus spricht mit uns: durch die Architektur, durch die Sprache und schließlich auch durch die Menschen, die in dem Haus arbeiten. So wird der Kunstmythos von Status, Geniekult und Überhöhung immer wieder aufs Neue manifestiert.
    Das Haus spricht mit uns durch seine Architektur, die sich wie ein moderner Tempel über die Werke schließt. Museen sind als außergewöhnliche Orte angelegt: Sie sollen mit ihren monumentalen Räumen dem Innehalten dienen. Eine Museumshalle, die mit der Struktur einer Basilika vergleichbar ist oder in ihrer modernen Variante, mit einem Hangar, hat schon als Raum an sich eine Wirkung. Die Ausstellungshäuser – und damit auch die Distanz zum Betrachter – werden immer größer.
    Die Kunstvermittlung ist ebenfalls kein eigenständiger Teil der Museumsarbeit, sie beginnt mit der Institution selbst. Im Großen wie im Kleinen: Jedes Wort, jeder Pressetext sind Teile dieser Vermittlung. Und sie alle haben die Kunst und ihre Betrachter fest im Blick. Die Sprache ist in der Kunst ein wichtiges Mittel, um zwischen Werk und Betrachter zu übersetzen. Dabei schwankt die Sprache zwischenWahn und Wirklichkeit: Die Überhöhung ist bewusstes Stilmittel, die Wirklichkeit, das »Warum«, wird jedoch nicht nachvollziehbar gemacht. Der Schriftsteller Max Frisch sagte einmal, man müsse der Herrschaftssprache eine Erfahrungssprache gegenübersetzen. Die bildende Kunst ist nicht nur geprägt durch eine Herrschaftssprache, sie ist auch selbst zur Herrschaftssprache geworden.
    Warum ist also ein Künstler bedeutend? Und warum sind es so viele? Fast jeder in den Medien oder Pressetexten genannte Künstler ist gleichzeitig auch der einflussreichste / wichtigste / bedeutendste Künstler unserer Zeit: »Havekost, der zu den bedeutendsten Künstlern seiner Generation zählt«, »Susan Hiller is one of the most influential artists of her generation«. Man könnte ein ganzes Telefonbuch der bedeutendsten, wichtigsten, genialsten Künstler zusammenstellen. Wie bemisst sich die Bedeutung? Und wer bestimmt darüber? In der fast zärtlichen Zusammenkunft von einem Kunstwerk und einem Menschen beeinflusst die Sprache der Institution die eigene Betrachtung. Die Bedeutung legt sich dabei wie eine Mauer um die Kunst. Der Zugang ist versperrt. Was bleibt ist der tapfere Versuch, etwas in dem Werk zu entdecken.
Im Wort Museumspädagogik steckt nun mal Erziehung
    Das Museum spricht aber auch durch sein Personal. Durch diejenigen, die die Kunst vermitteln, durch diejenigen, die die Kunst ausstellen. Gleichermaßen sind es immer wieder die Eingeweihten, die Befähigten, die sich den Besuchern entgegenstellen. Es ist eine klassische Lehrer-Schüler-Situation, der man sich, sofern man es möchte, an einem Sonntagnachmittag aussetzen kann. Diese Idee des Museumsals Kunst- und Wunderkammer der Spätrenaissance und des Barock, in der Objekte unterschiedlichster Art präsentiert wurden, wurde im 19 . Jahrhundert durch ein Erziehungsideal erweitert, das die Ausstellungshäuser heute noch prägt. Eine Führung ist dabei die vielleicht bildhafteste Form. Eine Gruppe wird versammelt, zur Ruhe und Ordnung diszipliniert, zum Folgen, Zuhören und Sehen in eine Richtung aufgefordert. Im Wort Museumspädagogik steckt nun mal das Wort Erziehung.
    Die Voraussetzung für die Hierarchie zwischen Museum und Besuchern ist die Ahnungslosigkeit der Besucher. Denn von ihnen weiß niemand, was Kunst ist. Kann auch keiner wissen. »Kunst« ist vor allem ein abgenutzter Begriff, ausgehöhlt, getreten, gefoltert, geliebt, gehasst. Es gibt keine verbindliche

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