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Kunstblut (German Edition)

Kunstblut (German Edition)

Titel: Kunstblut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Schüller
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das Zimmer hinein auf meine Lyon & Healy zu. »Was kost’n so’n Ding?«, fragte er.
    Ich antwortete nicht. Sie war mit vierzigtausend Euro versichert, aber dieses Modell würde mir niemand wiederbeschaffen können.
    Er klopfte mit seinen feisten Knöcheln gegen den Resonanzkörper.
    »Scheint nicht sehr stabil zu sein«, sagte er.
    Ich zwang mich hoch, wenigstens auf die Ellbogen.
    »Zwei Sachen, Arnie, bevor du irgendwelchen Scheiß machst: Das Ding hat siebenundvierzig Saiten, das macht ein paar Tonnen Zug. Wenn da was bricht, solltest du lieber nicht in der Nähe sein. Und zweitens: Wenn du sie anrührst, musst du mich umlegen. Sonst leg ich nämlich dich um.«
    Keine Ahnung, ob ich damit die Wahrheit sagte, aber Arnie war beeindruckt. Er war ein Schläger, ein ziemlich brutaler sogar, aber er hatte soweit ich wusste noch nie jemanden getötet. Ein paarmal wanderte sein Blick unschlüssig zwischen mir und dem Instrument hin und her, dann kam er aus dem Zimmer und auf mich zu.
    »Okay, Jo, hör zu. Ich mag dich, ehrlich. Aber mein Chef, der mag dich nicht  …« Er trat an meine Seite. Sein rechter Fuß hing neben meinem Brustkorb und tippte mir mit der stumpfen Spitze eines mexikanischen Stiefels in die Rippen. »Sei also brav, Jo. Ist doch ganz einfach.« Er sah auf mich herab. Das Angenehmste daran war, dass er meinen Augen Schatten gab.
    »Wer ist denn zurzeit dein Chef, Arnie?«, fragte ich, und aus dem Tippen wurde ein heftiger Tritt. Dieses Mal stöhnte ich.
    » Das … darfst du nicht fragen, Jo. Nie mehr, hörst du?«
    »Ich habe verstanden«, röchelte ich, als ich dazu wieder in der Lage war.
    »Das ist schön, Jo.« Mit einer Geste kommandierte er die Gorillas hinaus. »Und verlass dich nicht auf die Bullen. Die stehen immer noch unten und glauben, es wär nichts.«
    »Super-Tipp, Arnie. Ich danke dir.«
    »Halt einfach die Schnauze, und alles ist gut. Rede, und alles ist scheiße.« Er verabschiedete sich mit einem letzten Tritt. An der Tür drehte er sich noch mal um.
    »Und Harfe spielen ist doch was für Schwanzlutscher«, sagte er und verließ die Wohnung.
    Ich blieb so lange regungslos liegen, bis ich eine vage Vorstellung davon hatte, wie es mir ging. Dann richtete ich mich langsam auf und schleppte mich zur Bar. Ich öffnete ein Perrier aus dem Kühlschrank und goss es mir über den Nacken. Dann schenkte ich mir einen dreifachen Lagavulin ein und wankte mit Glas und Flasche zu meiner Harfe.
    Ich setzte mich und lehnte vorsichtig meine Stirn an das kühle Holz des Resonanzkörpers. Meine Hände zitterten noch zu sehr, um zu spielen. Aber es war an der Zeit, nachzudenken.

ZWEI
    Ich wachte auf und war mir nicht sicher, wo ich mich befand und was mich geweckt hatte, aber die Sonne war zu hell. Nacken und Kopf fühlten sich an, als ob ich drei Runden gegen beide Klitschkos gleichzeitig gestanden hätte. Ich stellte fest, dass ich auf meinem Sofa lag; ein anhaltendes, schmerzhaftes Geräusch entpuppte sich als das Klingeln meines Telefons. Ich schleppte mich zum Apparat. Das Display zeigte die Nummer der Freifrau. Dankbar für die Errungenschaften der modernen Telekommunikationstechnik ließ ich den Anrufbeantworter anspringen und ging vorsichtig ins Bad. Ein misstrauischer Blick in den Spiegel hatte ein halbwegs beruhigendes Ergebnis: Sie hatten mich nicht ins Gesicht geschlagen. Ich hasste es, mit einem Veilchen durch die Gegend zu rennen. Außerdem war meine Nase noch nie gebrochen, und mir lag daran, dass das so blieb. Ich duschte, bis ich mich halbwegs wieder als Mensch fühlte.
    Die Uhr über der Bar zeigte halb neun, als ich, mir vorsichtig den Kopf frottierend, wieder ins Wohnzimmer trat. In den zwanzig Minuten unter der Dusche war die Anzahl der Nachrichten auf dem Anrufbeantworter auf drei angewachsen.
    Die erste war die von der Freifrau, die mir einen verdächtigen Mittagstermin Tokohiros durchgab und dabei deutlich zu verstehen gab, dass sie besser einen Profi engagiert hätte. Die zweite kam von einer anonymen Nummer; eine fast noch junge, laszive Frauenstimme kündigte einen weiteren Anruf an, ohne einen Namen zu nennen. Die nächste Stimme war in ihrem ganzen Leben nicht lasziv gewesen: Fahrenbach befahl einen Rückruf.
    Ich zog den leinenen Hausanzug über und fuhr mit dem Aufzug runter, um die Zeitungen aus dem Briefkasten zu holen. Auf dem Rückweg machte ich einen Zwischenstopp im dritten Stock und zog Wolters Umschlag unter dem Blumentopf hervor. In der Küche warf ich die

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