Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kunstblut (German Edition)

Kunstblut (German Edition)

Titel: Kunstblut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Schüller
Vom Netzwerk:
auf der Straße ein Linienbus herandröhnte und an der Endhaltestelle hielt.
    Ich näherte mich langsam der Bank; als ich mich neben ihn an eine der Kastanien lehnte, sah Tokohiro kurz zu mir herüber, grüßte mit einem freundlichen Kopfnicken und las weiter. Es war nicht die Financial Times. Es war die Gazetto dello Sport. Unter dem Mantel trug Tokohiro einen eleganten und gleichzeitig sportlichen Tweedzweiteiler, ich tippte auf Strellson. Seine Haare waren grau, von weißen Strähnen durchzogen, und auf der Oberlippe trug er einen britischen Rennfahrerschnäuzer.
    »Tokohiro San, wenn ich richtig informiert bin?«, sagte ich.
    Er sah mich milde überrascht an. »Mit wem habe ich das Vergnügen?«, antwortete er in beinahe akzentfreiem Deutsch.
    Ich reichte ihm meine Karte.
    »Ein Privatdetektiv? Ich bin beeindruckt. Ich habe noch nie einen deutschen Detektiv kennen gelernt. Für was steht Jo?«
    »Für was steht San?«, fragte ich etwas lahm.
    Er lächelte unbefangen. Ich musste mir eingestehen, dass er mir sympathisch war.
    »Für Maki, Herr Kant. Es scheint mir, als hätte ich Ihren Namen schon einmal gehört.«
    »Es gibt da einen halbwegs prominenten Vorfahren väterlicherseits.«
    »Nein, es war mehr im privaten Bereich. Kennen Sie eine Cornelia Freifrau zu Spee-Lörickendorff? Sie ist Harfenistin. Unter anderem.«
    Er lachte, ich nicht. Cornelia hatte mir hoch und heilig geschworen, er kenne meinen Namen nicht.
    »Ich hätte ein paar Fragen zu dem Zwischenfall gestern Nachmittag«, sagte ich statt einer Antwort.
    Eine Falte erschien auf seiner Stirn, das Lächeln blieb. »Nicht einmal die Polizei hat mich dazu befragt. Was sollte ich Ihnen auch erzählen können? Ich saß in meinem Büro im vierten Stock. Ich habe gar nichts mitbekommen.«
    »Es geht mir auch mehr um Hintergrundinformationen. Können Sie mir etwas über das Haus erzählen, in dem Sie arbeiten?«
    Die Falte blieb, das Lächeln verschwand. »Es ist ein Bürohaus«, sagte er.
    »Ich war schon in vielen Bürohäusern, aber eine so schwer bewaffnete Securitytruppe habe ich selten gesehen.«
    »Für wen arbeiten Sie, Herr Kant?« Sein Blick war jetzt unverhohlen misstrauisch. Unsympathisch machte ihn das nicht.
    »Mein Klient wird zu Unrecht beschuldigt, an dem Vorfall beteiligt gewesen zu sein. Ich hoffe auf Ihr Verständnis, dass ich Ihnen seinen Namen nicht nennen kann.«
    »Dafür habe ich durchaus Verständnis. Aber könnten Sie mir wenigstens erklären, wie Sie ausgerechnet auf mich kommen? Woher kennen Sie mich?«
    »Ich habe bereits eine ganze Reihe von Leuten befragt, die in diesem Haus arbeiten. Einer Ihrer Kollegen hat mir Ihren Namen genannt.«
    »Wer?«
    Ich zog mein Notizbuch und suchte in den Aufzeichnungen von Cornelias Monolog nach einem passenden Namen.
    »Tsokuhara San«, sagte ich.
    Schweigend und säuberlich faltete er seine Zeitung zusammen. Dann bedachte er mich mit einem Blick, der mir klar machte, dass mir mindestens ein Fehler zu viel unterlaufen war.
    Hinter uns auf der Straße hupte ein Auto, wir drehten uns um. Hinter meinem Quattroporte hielt ein gelber Fiat Punto. Eine sehr junge Frau sprang heraus, Eurasierin, sie sah bezaubernd aus, ihre jugendliche Energie war geradezu greifbar. Sie strahlte Tokohiro aus der Entfernung an, dann zerrte sie eine Golftasche aus dem Kofferraum, hängte sie über die Schulter und schleppte sie auf unsere Bank zu. Ohne ein Wort der Begrüßung küsste sie ihn auf die Wange.
    Er sagte etwas auf Japanisch, zumindest nahm ich an, es sei Japanisch, und sie ging mit dezentem Schmollen im Gesicht zum Kassencontainer. Tokohiro sah mich bekümmert an.
    »Was wollen Sie wirklich von mir, Herr Kant?«
    »Genau das, was ich Ihnen gesagt habe. Auskünfte über das Haus.«
    »Und warum belügen Sie mich dann, Herr Kant? Tsokuhara San ist seit zwei Wochen wieder in Japan.« Er zog meine Karte heraus und reichte sie mir zurück. »So wird das nichts mit unserer Zusammenarbeit.« Er lächelte bedauernd.
    Ich nahm ihm die Karte nicht ab. »Vielleicht können wir noch mal neu beginnen.«
    »Was sollte ich mir davon versprechen?«
    Das Mädchen kehrte mit einem grünen Drahtkorb voller Bälle von der Kasse zurück und trug sie zu einem freien Abschlag. Ich sah sie an, er folgte meinem Blick.
    »Aha«, sagte er dann. »Ich verstehe.« Langsam stand er auf und steckte meine Karte zusammen mit der Gazetto dello Sport in die Jacketttasche. »Sie hören von mir.«
    Ohne mich eines weiteren Blickes zu

Weitere Kostenlose Bücher