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Kunstblut (German Edition)

Kunstblut (German Edition)

Titel: Kunstblut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Schüller
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hier ging es um Geld, wenn Wolter die Wahrheit gesagt hatte.
    Ich scannte das Blatt ein und speicherte es im PC unter »Steuererklärung« ab. Dann schrieb ich mit der Hand eine Erklärung, in der das Wenige stand, das ich über das Blatt und seine Herkunft wusste, und steckte sie gemeinsam mit dem Original in einen Umschlag und verließ die Wohnung.
    Als ich den Quattroporte aus der Tiefgarage steuerte, folgte mir ein bordeauxroter Passat, der gegenüber am Straßenrand geparkt hatte. Ich fuhr über die Oberkasseler Brücke in die City. An der Westseite der Kö hielt ich vor dem Haus, in dem mein Notar residierte. Auf mein Hupen winkte mir der Pförtner freundlich zu und öffnete das Rolltor zur Tiefgarage. Ich fuhr hinein, während der Passat etwas verloren auf der Fahrbahn stehen blieb, wo er nach wenigen Augenblicken von einem Müllwagen verjagt wurde.
    Die Dame vom Empfang geleitete mich zu einem Sozius der Kanzlei, und zwölf Minuten später lag der Umschlag in seinem Safe, auszuhändigen ausschließlich an Kant von Eschenbach, Tiberius Josephus, persönlich bekannt. Sollte diesem etwas zustoßen, ginge der Umschlag an die Staatsanwaltschaft.
    Als ich wieder aus der Tiefgarage fuhr, entdeckte ich den Passat einen halben Bock weiter rechts. Ich wartete, bis die Straße leer war, fuhr dann nach links gegen die Einbahnstraße. Nach einer kurzen, aber sehr heftigen Beschimpfung durch eine jung gebliebene Kinderwagenlenkerin bog ich in die Benrather Straße ab. Der Passat blieb verschwunden. Sorgfältig die Verkehrsregeln beachtend fuhr ich zu dem Bürohaus in der Moskauer Straße. Doktor Tokohiro würde bald zu seinem Termin aufbrechen.
    * * *
    Er verließ das Haus um zwölf Uhr neun durch die mittlerweile von Spanplatten abgedichtete Eingangstür. Mit für sein Alter erstaunlicher Spannkraft kam er die Treppe heruntergefedert. Am Straßenrand blieb er stehen und sah sich desinteressiert um, dann zog er aus der Tasche seines rehbraunen Kamelhaarmantels eine rosafarbene Zeitung, die Financial Times, wie ich vermutete, und begann zu lesen. Nach einer halben Minute rollte ein Taxi heran, und er stieg ein.
    Ich fluchte durch die Zähne und startete den Motor. Allein ein Taxi zu verfolgen ist ein Job, bei dem man fast immer verliert. Die Jungs kennen den Verkehr besser als jeder andere, sie wissen, von welcher Spur man sich im letzten Moment noch auf die andere drängen kann und bei welcher Geschwindigkeit man die nächste Ampel noch bei Dunkelgelb erwischt. Wenn man sich an sie dranhängt, entwickeln sie meist den Ehrgeiz, einen abzuschütteln. Schafft man’s trotzdem irgendwie, halten sie an der Heinrich-Heine-Allee oder sonst wo, der Fahrgast verschwindet zu Fuß in der Altstadt, und man kann sehen, wo man da einen gottverdammten Parkplatz kriegt.
    Doch diesmal hatte ich Glück. Der Mann fuhr brav die Kruppstraße hinunter und bog in die Oberbilker Allee ein. Bis in den Hafen konnte ich locker dranbleiben. Ich sah mich schon nach einer Parkmöglichkeit in der Nähe des Zollhofs um, doch das Taxi fuhr an den leichtmetallkaschierten Rigipspalästen der Medienwirtschaft vorbei und weiter in den Hafen hinein. Ab der Holzstraße ließ der Verkehr schlagartig nach, nur ein einzelner Silotransporter kam uns entgegen.
    Es gibt nur wenige Stellen in Düsseldorf, an denen ich mich so in der Großstadt fühle wie hier. Wie herrenlos abgestellte Trailer; große, wirklich nach Arbeit aussehende Backsteingebäude; die leeren Straßenzüge endlos.
    Als das Taxi in Richtung Lausward abbog, ging ich vom Gas und ließ es etwas Vorsprung gewinnen. Am Straßenrand, hinter Metallzäunen, lag ein riesiges Trümmergrundstück, auf dem ein Wohnwagen neben Müllhaufen stand. Weiter ging es am Kraftwerk mit seinen grauen und weißen Schloten vorbei, unter der niedrigen Schräge des Kohletransportbandes hindurch zum Golfplatz. Hier hielt das Taxi. Tokohiro stieg aus und verabschiedete sich freundlich von seinem Fahrer. Suchend sah er um sich, warf einen Blick auf die Uhr und setzte sich auf eine der kleinen Metallgitterbänke, die direkt an den Driving-Ranges standen. Er entfaltete seine Zeitung und begann zu lesen. Ich stellte den Quattroporte im Halteverbot ab und stieg aus.
    Tokohiro saß entspannt, mit einem leichten Lächeln, auf der Bank, versunken in seine Zeitung. Eine französische Jugendgruppe spielte auf den Ranges. Die »Flapps« und »Klicks« der Eisen und Hölzer erfüllten die Luft und waren die lautesten Geräusche, bis

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