Kunstblut (German Edition)
streng.«
»Dann passen Sie auf Ihre Nase auf, damit Sie sie weiter ungehindert genießen können.«
Er stieß einige Male Luft aus, was man mit gutem Willen als Lachen interpretieren konnte.
»Achten Sie auf Ihre Worte, junger Mann. Ich könnte sonst glauben, Sie versuchten mir zu drohen. Sollte das so sein, muss ich Sie darauf hinweisen, dass ich professionell trainierter Boxer bin. Und jetzt gehen Sie mir bitte aus dem Weg, bevor die Situation völlig ins Lächerliche abgleitet.«
Ich ließ den Stock los und trat beiseite. Madame Toussaint öffnete die Tür, und er rauschte hindurch, ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen.
Ich kaute auf meiner Unterlippe und starrte die Tür an, die von Madame Toussaint zu meiner Überraschung fast geräuschlos geschlossen wurde.
Die Sache begann, mir Spaß zu machen.
* * *
Herr Kim setzte mich ab, wo ich eingestiegen war, und verabschiedete sich mit freundlichem Kopfnicken. Dieses Mal wartete weder vor noch in der Wohnung jemand auf mich. Auf dem Anrufbeantworter erkundigte sich die Freifrau nach Doktor Tokohiros Lolita und drängte auf Rückruf. Die nächste Nachricht begann mit einem energischen »Hey, Jo!«
Dies war die Begrüßungsformel von Friedel Hausmann, Journalist. Freelancer, mit Betonung auf Free. Der fähigste Kopf, den ich in seiner Branche kannte. Leider bekam er immer wieder oder immer noch oder schon wieder Schwierigkeiten, aus dem einfachen Grund, weil er aussah wie Gerald Asamoah. Er war ein deutscher Schwarzer, oder umgekehrt von mir aus. Immer wieder hatte ich mit angehört, wie er für sein akzentfreies Deutsch gelobt wurde. Er bedankte sich meist damit, sein Gegenüber nur noch »Massa« zu nennen.
»In was für einer Geschichte steckst du denn da drin, Jo? Zwei Tote in zwei Tagen, mein lieber Herr Gesangsverein. Wir sollten reden. Ich bin gegen sechs bei Gianni.«
Ich warf einen Blick auf die Uhr und verließ die Wohnung in Richtung Tiefgarage.
Momentan war der Passat gegenüber ein weißer. Er folgte mir mühsam durch den Abendverkehr, und ich achtete darauf, ihn nicht zu verlieren.
In der Bachstraße fand ich tatsächlich einen Parkplatz. Der Passat hielt in zweiter Reihe, zwanzig Meter hinter mir. Ich ging auf den Wagen zu und blieb neben der Tür des Fahrers stehen. Missmutig drehte er sein Fenster runter.
»Ich geh da in die Pizzeria«, sagte ich. »Soll ich euch was mitbringen?«
»Eine mit Thunfisch«, sagte der Beifahrer.
Der Fahrer verzog wütend den Mund. »Danke, für mich nichts«, sagte er. Er war noch jung, er würde noch lernen, den Job nicht persönlich zu nehmen. Ich klopfte freundlich aufs Dach und trollte mich in Richtung Martinstraße.
Wie immer wurde ich von Gianni und seiner Frau begrüßt wie ein lang vermisster Freund. Das Zerogradi war winzig, eine Mischung aus Selbstbedienungsrestaurant und Imbiss. Die Einrichtung bestand aus Tischen und Stühlen, anders konnte man es nicht ausdrücken, an der Wand hing der übliche Italien-Schnickschnack. Geöffnet war bis elf, Bier gab’s nur aus Flaschen. Der Laden war schlicht eine Frechheit. Es sei denn, man kam wegen der Pizza. Früher hatte ich geglaubt, es wäre die Beste in Düsseldorf, doch mit wachsender Erfahrung hatte ich bemerkt, dass Gianni nicht nur in NRW konkurrenzlos war. Einmal in New York City war ich mir nicht ganz sicher gewesen.
* * *
Friedel Hausmann saß am Tisch direkt neben der Tür, vor sich eine Spinatpizza und eine Flasche Flensburger. Ich bestellte ein Wasser und eine Pizza mit Schinken und Sardellen und setzte mich neben ihn.
Er sah mich mit einem halben Grinsen an und nahm einen Schluck Bier.
»Ich nehme an, ich soll dich aus der Geschichte raushalten«, sagte er statt einer Begrüßung.
»Das würde mich freuen.«
»Ich tu, was ich kann.« Er säbelte an seiner Pizza herum. »Aber ich bin natürlich nicht der Einzige, der an der Story dran ist. Für die Kollegen kann ich nicht sprechen.«
»Schon klar. Wissen die denn von mir?«
»Hängt von Fahrenbach ab. Solange er dicht hält, bist du sicher.«
Die Frage, wieso er dann auf mich gekommen war, wäre Zeitverschwendung gewesen.
»Was ist denn dein Stand im Moment?«, fragte ich stattdessen.
»Wolter ist immer noch der einzige Verdächtige für Mord numero uno . Fahrenbach hätte aus seinem Ableben am liebsten einen Selbstmord gemacht, aber das ging wohl beim besten Willen nicht. Die Leiche muss furchtbar ausgesehen haben.«
»Was heißt das?«
»Details weiß ich noch
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