Kunstblut (German Edition)
waren. Nehmen Sie die Dreißig, sonst hol ich mir meine Blumen an der Nachttanke.«
Mit verzogenem Mund nahm er das Geld und reichte mir den Strauß.
»Die halten jeden Deutschen, der bei ihnen kauft, für bescheuert«, sagte Herr Kim und fuhr wieder an. »Und in achtundneunzig Prozent der Fälle liegen sie richtig.«
Ich sagte nichts. Es stand anzunehmen, dass Herr Kim wusste, wovon er sprach.
»Wenn Sie mich abgesetzt haben, fahren Sie bitte wieder zurück und holen Frau Wolter ab. Sie weiß nicht, dass Sie kommen, seien Sie also freundlich, akzeptieren Sie aber keine Weigerung. Sagen Sie ihr, ich müsse dringend mit ihr reden. Die Bullen vor der Tür sollten aber möglichst keinen Verdacht schöpfen. Wenn Sie Frau Wolter im Wagen haben, hängen Sie den Mondeo ab und bringen sie zum ›Mühlhaus‹. Dann warten Sie in der Nähe auf meinen Anruf. Aber nicht direkt vor der Tür.«
»Was mache ich, wenn ich es nicht schaffe, die Polizei los zu werden?«
»Sie schaffen das schon. Wenn nicht, rufen Sie mich an. Dann tritt Plan B in Kraft.«
»Und wie geht der?«
»Weiß ich noch nicht.«
Wir erreichten das »Mühlhaus«. Ich zog die Brieftasche und hielt ihm einen Fünfziger hin. Er nahm ihn nicht.
»Zahlen Sie am Ende des Abends«, sagte er. »Wer weiß, was noch dazukommt.«
Ich stieg aus. Herr Kim wendete den Wagen und rollte davon. Während ich meinen Rosenstrauß etwas in Form zupfte, bereitete ich mich mental auf das Zusammentreffen mit Katja vor.
Das »Mühlhaus« war ein Laden, in dem die späten Siebziger nie geendet hatten. Mäßig beleuchtet, viel dunkles Holz, Film- und Jazzplakate, Schallplattencover an der Wand. Aus Stilgründen hätte ich einen solchen Ort ebenso gemieden wie Giannis Pizzeria, aber manchmal war Stil eben nicht alles.
Die späten Siebziger waren seit einiger Zeit wieder angesagt. Der vordere Raum war gut besetzt, ich sah nur einen freien Tisch. Das Wort groovy fiel mir ein.
Sie kam, ein Tablett in der Hand, aus den hinteren Räumen. Ihre Augen verengten sich alarmierend, als sie mich eintreten sah. Das Tablett in die Seite gestützt, stellte sie sich an den Tresen.
»Blumen verkaufen unerwünscht«, sagte sie, als ich vor ihr stand.
»Entschuldige bitte, Katja.« Ich hielt ihr den Strauß hin. Sie gehörte zu den Menschen, die in der Lage sind, eine einzelne Braue zu heben; eine Fähigkeit, die ich wirklich bewundere. Sie warf einen Blick auf die Rosen, bevor sie sie ihrem Barkeeper über die Theke reichte.
»Stell die mal feucht, Alfred«, sagte sie, ohne mich aus den Augen zu lassen. »Was willst du diesmal, Jo?«
»Dein Hinterzimmer.«
Sie nickte und strich ihre langen, dunkelblonden Locken aus dem Gesicht. »Erlebe ich noch mal, dass du kommst, wenn du nichts willst?«
»Man soll die Hoffnung nie aufgeben.« Ich lächelte, aber es prallte an ihr ab.
»Mann vielleicht«, antwortete sie.
»Ich erwarte noch jemanden. Beruflich.«
»Verstehe. Eine Frau, nehme ich an.«
»Die Dame, die gestern schon mal hier war.«
»Dann glaube ich dir sogar, dass es beruflich ist.« Jetzt lächelte sie doch, und ich wusste wieder, was ich an ihr fand.
Ich ging ins Hinterzimmer und machte es mir bequem. Katja hatte mir gerade einen Dalwhinnie und ein kleines Glas stilles Wasser gebracht, als das Handy klingelte. Es war Friedel Hausmann, der mir mitteilte, nicht vor dreiundzwanzig Uhr zu Hause zu sein.
»Du solltest auf jeden Fall noch kommen, Jo. Ich hab die Fotos von Wolters Leiche. Es lohnt sich.« Er klang zufrieden. Ich sagte ihm zu.
Es dauerte nur eine knappe Viertelstunde, bis Herr Kim Frau Wolter bei mir ablieferte.
»Ich muss schon sagen«, sagte sie, als sie das Hinterzimmer betrat. Sie wirkte blass. »Ihr Chauffeur hat einen sehr ungehobelten Fahrstil.«
»Ist er Ihre Begleiter los geworden?«, fragte ich.
»Ja. Das schon.« Ihre Kleidung war heute angemessen dezent: ein anthrazitfarbener Strenesse-Mantel über einem dunkelgrauen Kleid in einem klassischen Chanel-Schnitt. Ich bat sie, Platz zu nehmen. Katja kam herein und fragte nach ihren Wünschen. Sie bestellte Sekt, was – nur für mich sichtbar – Katjas linke Braue nach oben schob, und ich fragte mich mal wieder, ob ich mich nicht doch in sie verlieben könnte.
»Das mit Ihrem Mann …«, sagte ich.
»Schon gut«, fiel sie mir ins Wort. Wütend starrte sie auf die Tischplatte. »Den ganzen Tag hatte ich die Bullen auf dem Hals. Die behandeln mich, als ob ich Egon umgebracht hätte.«
Ein paar echte
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