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Kunstblut (German Edition)

Kunstblut (German Edition)

Titel: Kunstblut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Schüller
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schieße«, antwortete Friedel. »Ich hoffe, sie ist nicht geladen.«
    Etwas entfernt glänzten etliche rasierte Schädel im Licht einiger Strahler, die eine Skulptur beleuchteten. Sie gehörten einer Reihe junger und nicht mehr ganz junger Männer, die in ihren dreiteiligen Anzügen wie Replicas des Professors wirkten. Einige waren auffällig nervös. Weder der OB noch van Wygan waren zu sehen.
    »Wann rechnest du mit den Hauptfiguren?«
    Friedel warf einen Blick auf seine Uhr. »Der OB kommt gleich, wie ich ihn kenne. Bei van Wygan kann das noch dauern«, antwortete er. »Was sollte das heute Mittag am Telefon?«
    »Ich habe nur ein bisschen gespielt. Van Wygan soll sich für schlauer halten, als er ist.«
    »Das tut er sowieso. Was kannst du mir über ihn erzählen?«
    »Er hat ein Verhältnis mit Madame Toussaint, Schwarzenbergers Geschäftsführerin. Und Schwarzenbergers Agentur vertritt drei seiner Schüler.«
    Friedel sah mich an, als habe er nicht recht gehört. »Das ist alles? Ist das dein Ernst? Van Wygan hat mit jedem Rock ein Verhältnis, der ihm über den Weg läuft. Und dass Schwarzenberger seine Arbeit macht, ist auch kein Geheimnis. Ich dachte, du hast was Fettes?«
    »Er hat die Toussaint mit einem Recorder zu mir geschickt, um herauszubekommen, was ich weiß. Warum sollte er das tun, wenn er ein reines Gewissen hat?«
    »Van Wygan hat kein reines Gewissen. Der ist Paranoiker allererster Kajüte. Bei dem, was der sich in den Kopf pfeift, ist das auch kein Wunder. Was du mir da anbietest, ist albern, daraus kann man nicht mal einen Bindfaden drehen, geschweige denn einen Strick. Oder hast du noch was?«
    »Ja«, sagte ich. »Mein Gefühl.«
    »Humph«, machte Friedel und sah an mir vorbei.
    Auf der Treppe unter uns begannen Blitzlichter zu zucken. Ein breites Grinsen kam die Treppe heraufgefedert, umrahmt vom zufriedenen Gesicht eines Mannes, der das Wort Selbstzweifel noch nie gehört zu haben schien. Der OB wirkte mit seinen eins fünfundsechzig wie der illegitime und deshalb leider nur bürgerliche Nachfahre eines französischen Landadligen. Er selbst ließ übrigens verbreiten, er sei eins siebzig. Die mittlerweile recht schütteren schwarzen Locken hatte er so kunstvoll nach hinten gelen lassen, dass sie fast voll und mediterran wirkten. Hinter ihm stritten Fotografen und subalterne Mitarbeiter um die besten Plätze an seiner Seite. Sein Blick streifte Friedel, und für den Bruchteil einer Sekunde wurde aus dem Grinsen ein Zähnefletschen, aber er fing sich sofort wieder.
    »Kein einziger Zahn echt«, sagte Friedel, kurz bevor der Mann außer Hörweite war. Ich meinte, ein gewisses Zucken in dessen Bewegung zu bemerken.
    »Er scheint dich nicht besonders zu mögen«, sagte ich
    »Das beruht auf Gegenseitigkeit. Eines Tages säg ich den ab. Und wenn’s das Letzte ist, was ich tue.«
    »Er hat die Bullen aufgefordert, van Wygan vor mir zu schützen.«
    »Jaja. Er hat sie auch aufgefordert, ihn selber vor mir zu schützen. Der Mann hat einfach den Schuss nicht gehört.«
    »Gewählt ist gewählt«, sagte ich.
    »Amen«, antwortete Friedel.
    Der OB und das Gefolge stürmten in Richtung des Buffets, das schleunigst eröffnet wurde.
    »Lass uns mal ein Alt holen«, sagte Friedel und steuerte auf den kleinen Uerige-Stand neben den Tischen zu. Mit professioneller Rücksichtslosigkeit pflügte er durch das Gedränge. Ich folgte in seinem Kielwasser.
    Der Köbes kannte Friedel offensichtlich. Er grinste und gab ihm zwei Alt an der wartenden Schlange vorbei, sobald er in Reichweite war. Aufkommendes Gemurre quittierte er mit der Bemerkung, wenn’s einem nicht passe, könne man ja zum Schumacher gehen.
    Nebeneinander schlenderten wir durch den Flur und die Räume, in denen van Wygans Klasse ausstellte. Die Werke von Schwarzenbergers Nachwuchshoffnungen waren leicht zu identifizieren. Unweit des Filzturmes gab es eine Koje, in der verschiedene an Voodoo-Utensilien gemahnende Gerätschaften, darunter ein erstaunlich echt wirkender Schrumpfkopf, um eine Urne drapiert waren. »Asche« hieß das Werk. Daneben stand ein gut aussehender, kreolisch wirkender Mann, dessen dunkler Schädel sich weithin von denen seiner blassen Klassenkameraden abhob. Er diskutierte angeregt auf Spanisch mit einer kleinen Schwarzhaarigen in einem Mini, den man früher aufregend genannt hätte.
    Weiter hinten, neben einer senkrecht stehenden, türgroßen und zwei Zentimeter dicken Stahlplatte, zeigte ein Großbildprojektor ein auf

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