Kunstblut (German Edition)
Straßenseite entdeckte ich eine schwarze Lexus-Limousine. Der Japaner am Steuer sah starr geradeaus, während ich am Straßenrand wartete, bis ein freies Taxi herankam. Als ich es anhielt und einstieg, folgte der Wagen. Ich ließ mich nach Hause bringen. Der Lexus rollte langsam an dem haltenden Taxi vorbei, als ich ausstieg.
Das Gefühl, ständig ein Observatorium hinter mir her zu ziehen, ging mir auf die Nerven, aber es ließ nach, als mir vor meiner Wohnungstür mein Engel wiedererschien.
Das Schwarz ihres Markus-Lupfer-Kleides passte so perfekt zum Rot ihrer Haare, dass man beinah froh sein konnte, dass sie Witwe war. Sie sah mich ernst an und schwieg, als ich sie mit einer Geste hereinbat und ihr den Mantel abnahm.
»Was verschafft mir die Ehre?«, fragte ich, nachdem sie mir durch den Wohnraum zur Bar gefolgt war.
»Ich wollte mich nach den Fortschritten Ihrer Arbeit erkundigen«, sagte sie mit einem kleinen Lächeln, »und einen Manhattan trinken.«
Ich drehte mich zum Regal um und mixte ihren Drink.
»Es gibt noch nicht viel zu berichten«, sagte ich und stellte ihr das Glas hin. »Gestern Abend hat sich jemand einen makabren Scherz erlaubt und den Mord an Ihrem Bruder persifliert …«
»Ich habe es im Radio gehört«, sagte sie und nahm einen Schluck. »Über den Humor mancher Menschen muss man sich wundern.« Der Regen trommelte auf die Atelierfenster über uns. Sie sah hoch. »Sie haben eine schöne Wohnung. Ich liebe hohe Räume.«
»Ich bewundere Ihre Contenance«, sagte ich und schenkte mir einen Calvados ein.
»Was bleibt mir übrig? Wissen Sie …«, ihr Blick schweifte durch den Raum, »ich könnte mich auch zu Hause vergraben, aber wem nützte das? Yves bestimmt nicht, oder Egon. Ich versuche mich abzulenken, und ehrlich gesagt«, sie warf mir ein kleines Lächeln zu, »bin ich in erster Linie deshalb hier. Vergessen wir für eine Weile das Geschäftliche.«
Ihre grünen Augen fixierten mich. Ohne den Blick zu wenden, nahm sie einen kuliminendünnen Zigarillo aus der Handtasche und führte ihn zwischen ihre Lippen. »Haben Sie Feuer?«
»Nein«, antwortete ich. Das war gelogen, aber ich hätte den Blick von ihr abwenden müssen, um unter der Bar nach dem Feuerzeug zu suchen.
»Macht nichts.« Ohne hinzusehen wühlte sie in ihrer Escada-Tasche und holte ein schweres, goldenes Benzinfeuerzeug hervor, das sie mir zuschob. Leichter Kerosingeruch verbreitete sich, als ich es anzündete und an die Spitze ihres Zigarillos hielt.
»Danke.« Der Tabak duftete aromatisch wie von einer Cohiba. »Haben Sie heute Abend schon etwas vor, Herr Kant?«
»Leider ja. Ich wollte in die Kunstakademie.«
»Ach, natürlich. Eigentlich müsste ich ja auch dorthin, aber ich fürchte, man fände das unpassend, so kurz nach …« Sie unterbrach sich.
»Wieso müssten Sie das?«
»Nun, immerhin stellen dort drei von Yves’ Klienten aus.«
»Schüler von Lothar van Wygan?«
»Ja. Yves hat sie sehr früh unter Vertrag genommen. Eine seiner Investitionen in die Zukunft.«
»Davon hat mir Madame Toussaint erzählt. Allerdings nicht von van Wygans Schülern.«
»Natalie kann sehr diskret sein.«
»Vor allem, wenn es um den Professor geht.«
»Ja. Die beiden … mögen sich.« Sie lächelte etwas verzerrt.
»Den Eindruck habe ich auch gewonnen. Welche Beziehung bestand eigentlich zwischen Ihrem Mann und van Wygan?«
»Ach, Jo, Verzeihung, Herr Kant, ich möchte jetzt nicht darüber reden.« Mit einer unwilligen Bewegung trank sie ihr Glas leer. Erschrocken sah sie darauf. »Ich trinke zu schnell«, sagte sie dann leise.
»Möchten Sie noch einen?«
Sie nickte schüchtern, und ich mixte ihr einen etwas stärkeren.
»Sie werden doch nicht den ganzen Abend dort verbringen, oder?«, fragte sie, als ich das Glas vor sie hinstellte.
»Ich habe danach noch eine geschäftliche Verabredung.«
»Können Sie die nicht verschieben? Ich würde gern mit Ihnen essen gehen.«
»Halten Sie es für klug, sich mit mir in der Öffentlichkeit zu zeigen? Bei der Polizei gelte ich immer noch als Mitwisser oder sogar als Mittäter, und Sie dürften sich auch der besonderen Aufmerksamkeit von Hauptkommissar Fahrenbachs Leuten erfreuen, wenn ich nicht irre.«
Sie seufzte eine Spur zu theatralisch. »Ach, Sie haben ja Recht, Jo. Ist es nicht furchtbar? Aber Sie kennen doch gewiss einen Ort, wo wir ungestört wären.«
»Wir sind ungestört«, hörte ich mich sagen. In meinem Hirn schrillte eine Alarmglocke, aber ich
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