Kunstblut (German Edition)
schaltete sie ab.
* * *
Die Sonne hatte sich gegen jede Erwartung durch die dunkelgrauen Wolken gekämpft. Ein goldenes Licht lag auf dem brauntrüben Wasser des Rheins und ließ die Bugwellen der vorbeifahrenden Schiffe aufblinken. Es war ein herrlicher Blick auf Fluss und Stadt, den die noch winterlich unbelaubten Buchen in der Wildenbruchstraße zuließen, und er gewann zusätzlich dadurch, dass ich ihn von meinem Bett aus genießen konnte, während Isabelle Schwarzenberger mir den Rücken massierte. Ihre schwarzen Seidenstrümpfe rieben an meiner Seite. Sonst trug sie nichts mehr.
»Du bist gar nicht verspannt«, sagte sie gerade.
»Sollte ich das sein?«
»Ich weiß nicht. Yves war immer verspannt.«
»Gerade hatte ich beinah das Gefühl, du hättest ihn vergessen.«
»Wie könnte ich das? Er ist doch erst zwei Tage tot.«
»Du hast nicht allzu viel Trauer spüren lassen, eben.«
»Ich war ihm nicht treu, als er noch lebte. Warum soll ich damit anfangen, wenn er nichts mehr davon hat?«
»Du hast ihn betrogen?«
»Nein. Wir führten eine offene Ehe. Anders wäre es mit ihm gar nicht gegangen.« Sie beugte sich zu meinem Ohr hinab und blies hinein. Ich verzog das Gesicht. »Müssen wir jetzt von ihm reden?«, flüsterte sie.
»Ja. Jetzt kommt der geschäftliche Teil.«
»Ist das dein Ernst?«
»Natürlich.«
Ich rollte mich unter ihr weg. Sie lachte auf und ließ sich über mich fallen. Ich spürte ihre Lippen auf meinem Brustkorb. »Eigentlich mag ich keine Männer ohne Brustbehaarung«, sagte sie.
»Auf Stahl wächst kein Gras«, brummte ich. Sie kicherte, und ich stieß meine Nase in ihre nach L’eau d’Issey und Schweiß duftende Achselhöhle. »Was hatten Yves und van Wygan miteinander zu schaffen?«
Ein scharfer Schmerz durchfuhr mich, als sie mich in die rechte Brustwarze biss.
»Ich glaube nicht, dass Lothar und Yves offiziell Geschäftspartner waren«, sagte sie. »Sie waren eher … Freunde.«
Isabelles Fingernägel kratzten sanft aber entschieden meine Flanke hinauf. Ihre Beziehung zu van Wygan reichte also immerhin bis zum Vornamen.
»Gibt es denn überhaupt Freundschaften in der Branche?«, fragte ich und versuchte, sie auf den Rücken zu drehen. Sie wehrte sich, indem sie sich mit allen Nägeln an mir festkrallte. Ich schrie auf.
Sie lachte. »Gibt es in deiner welche?«
»Manchmal.« Ich biss in ihren Oberarm, sie revanchierte sich mit einem Kniff in meine Lende.
»Das Problem ist weniger die Branche als Lothar selbst. Er kann sehr anstrengend sein.«
»Hast du da Erfahrungen?«
Sie ließ mich los, antwortete aber nicht. Der Rücken, den sie mir zudrehte, gab mir Antwort genug.
»Madame Toussaint wird die Agentur vertreten, heute Abend«, sagte sie, als hätte ich meine Frage nicht gestellt. Sie suchte im Bett nach ihren Sachen.
»Welche der Künstler vertritt die Agentur denn?«, fragte ich und warf ihren BH weit ins Zimmer. Er blieb in den Blättern der Dieffenbachia hängen. Sie wollte aufstehen, aber ich griff ihre Hand und hielt sie fest. Aufstöhnend ließ sie sich wieder nach hinten fallen.
»Insgesamt drei«, sagte sie. »Hans-Karl Steen, ein Kölner. Er macht dieses Videozeug, was heute alle machen. Dann ein Kubaner, der sich Yaco nennt – er macht ethnologisch inspirierte Installationen –, und ein Waliser namens Oliver Swann. Der macht Filzskulpturen, ziemlich riesige. Filz kommt in Düsseldorf immer noch gut an.«
»Seide auch«, sagte ich und strich über die Innenseite ihres Oberschenkels.
»Aber ist das Kunst?« Sie führte meine Hand langsam höher.
»Man kann welche draus machen. Ich werde mir die drei Herren heute Abend mal ansehen.«
»Aber erst heute Abend«, sagte sie und verschloss meinen Mund mit ihren Lippen.
* * *
Friedel Hausmann stand neben der Treppe. Sein Interesse galt offensichtlich nicht der ausgestellten Kunst, sondern den sich ausstellenden Semi- und Semi-Semipromis.
»Gibt’s was Interessantes?«, fragte ich und stellte mich neben ihn.
»Ja. Das Buffet. Ist aber noch nicht eröffnet.«
Im Knick des Flures stand eine Art Turm aus dunkelgrauem Filz. Er erhob sich imposante drei Meter hoch aus einer ebenfalls filzenen Hügellandschaft, in der mehrere zertrümmerte und verkohlte Küchengeräte platziert waren, dazu weit oben ein ziemlich intakt wirkender Fernseher und ein Farbeimer, am Rand lagen ein Megaphon und eine Uzi-Maschinenpistole.
»Was hat das denn zu bedeuten?«, fragte ich.
»Find mich gut, oder ich
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