Kunstgriff
ich mich verprügeln?«
»Das lassen sich viele Frauen nicht ansehen!«
Sie wechselte das Thema. »Was hältst du von dem Verdacht der Polizei? Kannst du dir vorstellen, dass die beiden das Bild geklaut haben?«
Daniel grinste. »Nina hat oft genug damit angegeben, dass ein Bild ihrer Alten eine halbe Million wert ist. Das bleibt unter uns, abgemacht?«
»Und die andere Geschichte?«
»Der Mord im Wald?« Er schüttelte den Kopf. »Man soll niemals nie sagen. Aber mein Bruder als Robin Hood? Das bringt der nicht. Mit dem Bogen würde er keine Kuh treffen.«
»Aber du!«
Er schmunzelte. »Und wie! Ich war früher ein ziemlich guter Bogenschütze. Mit Wettkampferfahrung, ob du es glaubst oder nicht!«
Darum bemüht, sich die Überraschung nicht anmerken zu lassen, fragte sie, was den Reiz des Bogenschießen ausmache.
»Das habe ich mich selbst oft gefragt«, bekannte er. »Vielleicht ist es die Verbindung von Konzentration und Kraft, von innerer Ruhe und höchster Anspannung. Mit dem Einatmen hebst und spannst du den Bogen und schickst den Pfeil mit dem Ausatmen auf den Weg. Für mich war es, als ob meine Atemluft den Pfeil davontragen würde. Ein meditatives Erlebnis gewissermaßen.«
Er lächelte verlegen.
Norma nippte am Wein. Ein flüchtiger Johannisbeerduft stieg ihr in die Nase. »Hast du den Bogen noch?«
»Sicherlich! Aber er ist harmlos. Mit Sportpfeilen und einem Sportbogen kannst du niemanden umbringen.«
»Der Mann im Wald wurde von einem Jagdpfeil getötet, stand in der Zeitung. Was ist der Unterschied?«
Er lehnte sich zurück und lächelte selbstgefällig. »Mit einem Jagdpfeil kannst du Hirsche und Bären und natürlich genauso einen Menschen töten. Nimmt man den richtigen Bogen, einen Compoundbogen zum Beispiel, bekommt der Pfeil die Durchschlagskraft einer Gewehrkugel.«
Draußen schnappte die Wohnungstür ins Schloss. Nina kehrte in die Küche zurück. Zum zweiten Mal an diesem Tag sah Norma das Mädchen weinen. Der Turban fehlte. Die nassen Haare hingen ihr zerzaust ins Gesicht. Sie ging zur Anrichte, riss ein Stück von der Küchenrolle ab und kletterte auf das Sofa.
»Mann, ist der sauer! Jetzt will er laufen. Dabei hat er heute morgen trainiert.«
»Mach dir keine Gedanken. Beim Joggen beruhigt er sich.« Daniel füllte Ninas Glas auf. »Mieke hat mich auf einen Gedanken gebracht.«
»Was denn?«, fragte sie und schnupfte in das Papierstück.
»Nun, dass die Polizei besser nichts von meinem Sportbogen erfahren sollte.«
»Du hast eben gesagt, man kann damit niemanden umbringen«, wandte Norma ein.
»Nicht töten, aber üben! Und Rico hat sich das Teil oft genug ausgeliehen.«
Nina winkte ab. »Das ist ewig her. Ein halbes Jahr. Im Herbst war das, und er hatte Spaß daran, bis er sich mit einem Mal lieber Pauls Boot ausborgte und im Schiersteiner Hafen herumpaddelte. Wie sollten die Bullen das rausfinden?«
Na, wie bloß? Norma musste an sich halten, um nicht auf der Stelle das Handy zu zücken. »Nina, als du vorhin nach Hause gegangen bist, ist dir aufgefallen, ob dir jemand folgte?«
Das Mädchen zog eine Strähne in die Stirn und kämmte sie mit den Fingerspitzen. »Du meinst diesen Typen aus der Galerie? Na klar, der ist mir nach. Hat mich vor der Haustür angequatscht. Dr. Regel, oder so ähnlich.«
»Dr. Regert. Was wollte er?«
Sie ließ die Hände ruhen. »Er will unbedingt einen Jawlensky kaufen und hat Angst, dass ihm ein anderer Kunde zuvorkommt. Deswegen soll ich bei meiner Mutter ein gutes Wort für ihn einlegen. Ausgerechnet ich!« Sie lachte schrill.
»Na, ob der Kerl nicht ganz was anderes will?«, meinte Daniel verächtlich.
»Nee, der wusste, dass ich einen Freund habe.«
Norma stützte sich auf die Tischkante und beugte sich vor. »Er kennt Rico?«
»So nun auch nicht«, entgegnete Nina nebulös. »Er wusste, dass ich einen Freund habe, aber nicht, dass es Rico ist. Er hat mich gebeten, ob ich meinen Freund anrufen könnte. Er wollte ihm einen Job anbieten.«
Dem Mädchen musste man jedes Wort aus den Nase ziehen! Norma bremste ihre Ungeduld. »Na und? Was dann?«
Nina griff nach dem Weinglas. Sie nahm einen langen Schluck und wischte sich mit dem Handrücken breit über den Mund. »Ich hab’s gemacht, und Rico kam runter. Er bräuchte Hilfe, hat der Doktor erzählt. Rico sollte für ihn ein paar Schränke umstellen. Als ob Rico ein verdammter Möbelpacker ist!«
»Hat Rico abgelehnt?«
Nina grinste unbekümmert. »Wenn du es so ausdrücken
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