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Kunstgriff

Kunstgriff

Titel: Kunstgriff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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herüberschaute: Dr. Gregor Regert, der Freund des Expressionismus. Hatte er Mieke Lienhop erkannt und wunderte sich, was Undine Abendsterns Assistentin mit einer Privatdetektivin zu schaffen hatte? Wenn sie hinüberging und sich als Norma Tanns Freundin ausgab, trat womöglich die Bäckersfrau heraus und begrüßte die Nachbarin freundlich mit Namen. Besser stahl sie sich ohne Croissants davon.
    Während sie den Polo die Biebricher Allee hinaufsteuerte, rief Wolfert an und bedankte sich für die Fotos. Daniels Bogen! Ob es bereits Erkenntnisse gebe, fragte sie.
    »Ein herkömmlicher Sportbogen, sagen die Experten. Eine gute Waffe, wenn auch ein älteres Modell. Damit kannst du auf Scheiben schießen, jedoch keinen Menschen töten.«
    »Also ist es nicht die Mordwaffe«, stellte Norma klar.
    »Ausgeschlossen«, bestätigte er.
    Sie fuhr auf direktem Weg zur Galerie und ergatterte eine Parklücke vor dem Haus. Undine sah es nicht gern, wenn der Polo den Kundenparkplatz besetzte. Beim Aussteigen fiel ihr ein altmodischer Daimler mit dem Kennzeichen ›WI – LT‹ auf. ›LT‹ für Lutz Tann. Gewöhnlich war Lutz zu dieser Stunde im Verlag, selbst wenn er bei Undine übernachtet hatte. In der Hoffnung, dass beide verspätet frühstückten und vielleicht einen Milchkaffee und ein Brötchen übrig hätten, erklomm sie die Treppen. Sie mochte Lutz sehr, und seine kluge, ruhige Art tat ihr gut. In den vergangenen Tagen hatten sie sich viel zu selten gesehen. Die Wohnungstür war angelehnt. Norma hob die Hand und wollte anklopfen, hielt aber inne. Drinnen im Flur waren Stimmen zu hören. Ein Streit. Wie so oft.
    Undine klang heiser und enttäuscht. »Ich habe es satt! Endgültig satt! Deine andauernden Betrügereien!«
    Gleich darauf die Antwort in heftigem Tonfall: »Kehre nicht die Heilige raus, Undine. Hast du je etwas anbrennen lassen? Muss ich dich an diesen Maler erinnern?«
    »Lass Albert aus dem Spiel! Er ist ein guter Freund. Aber du! Turtelst mit einer Frau herum, die deine Tochter sein könnte.«
    Ein Wort gab das andere, bis die Tür aufflog und Lutz beinahe Norma in die Arme lief. Mutlos strich er sich durch die grauen Haarborsten. Sein dunkler Anzug saß perfekt wie stets. Dazu trug er eine dezente graue Krawatte.
    »Wir saßen einträchtig beim Frühstück. Als ich gehen wollte, fiel sie aus heiterem Himmel mit diesen Vorhaltungen über mich her.«
    »Sie wird sich beruhigen«, flüsterte Norma. »So wie nach jedem Krach.«
    Sachte zog er die Wohnungstür heran. »Dieses Mal ist es anders. Sie hat mich gesehen, mit einer anderen. Ein Flirt, mehr nicht. Maja ist Redakteurin beim Rundfunk. Auf der Frankfurter Buchmesse haben wir uns kennengelernt. Wir sind uns sympathisch, ich habe sie hin und wieder zum Essen eingeladen.«
    »Lutz, mir bist du keine Rechenschaft schuldig. Das ist eine Sache zwischen dir und Undine.«
    Er lächelte matt. »Entschuldige, Norma. Ich sollte dich da nicht hineinziehen. Ob ich noch einmal mit ihr rede?« Er wandte um.
    Undine kam ihm zuvor. Sie riss die Tür auf und stemmte die Hände in die Hüften. »Was willst du noch hier? Verschwinde aus diesem Haus und lass dich nie wieder sehen. Ich bin fertig mit dir, Lutz Tann!«
    »Aber, meine Liebe …«
    »Es hat sich ausgeliebt! Mach, dass du fortkommst!«, wetterte sie.
    Er wechselte einen Blick mit Norma und trat den Rückzug an. Mit schleppenden Schritten stieg er die Treppe hinunter. Sie wäre ihm am liebsten nachgelaufen.
    Undine schoss Blitze hinterher. »Dieses Mal ging er zu weit!«
    »Dieses Mal?«
    Undine stieß den Atem aus. »Ich weiß, Norma, du hältst mich für eine überspannte Zicke mit grundloser Eifersucht. In Wahrheit hat er mich all die Jahre betrogen. Mit Frauen, die halb so alt sind wie ich und doppelt so schön. Ich will nicht mehr. Ich kann nicht mehr.«
    »Warst du ihm immer treu?«
    Undine lächelte resigniert. »Mir rennt die Zeit davon, Norma. Ich habe keinen Freiraum für Spielchen. Ich brauche einen Mann, auf den ich mich verlassen kann und der zu mir hält, wenn ich alt bin.«
    Sie reichte Norma das Schlüsselbund, bevor sie in die Wohnung zurückkehrte, um den Schmerz unter einer Schicht Schminke zu begraben. Norma ging derweil voraus in die Galerie. Wie jeden Morgen nahm sie sich einige Minuten Zeit für die Gemälde und Plastiken und ließ Farben und Formen auf sich wirken. Am Schreibtisch startete sie das Notebook. Mit knurrendem Magen nahm sie im World Wide Web die Fährte des Dr. Gregor Regert

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