Kunstgriff
soweit ich weiß.«
»Trauer, hörst du? Trauer! Ich soll trauern. Um Rico!«
Mit sanftem Druck schob er sie dem Bett entgegen. Sie sank auf die Kante nieder, während er sich den Schreibtischstuhl heranzog. »Geht es womöglich um den Mord an Pitt Metten? Hat Rico etwas damit zu tun?«
Sie fingerte rastlos an einer Haarsträhne herum. »Eben nicht! Das ist es ja, was mir solche Angst macht!«
»Nina! Wenn ich dir helfen soll, musst du klar sagen, was los ist.«
Die junge Frau schaute angespannt zur Tür. »Wo ist Mieke? Sie darf nichts davon wissen. Sonst erfährt meine Mutter davon.«
»Mieke kann uns nicht hören.«
Und wie sie hören konnte! Allerdings machten ihr die Beine zu schaffen, die verkrampfte Haltung forderte Tribut. Konzentriert beobachtete sie Daniels kompakten Rücken und Ninas verängstigtes Gesicht; getrieben von der irrationalen Befürchtung, man könnte ihren Atem hören.
»Hängen deine Sorgen mit dem Diebstahl zusammen?«, fragte Daniel. »Habt ihr das Bild geklaut? Raus damit, Nina!«
Sie sprang auf. »Wir müssen Rico suchen! Auf seiner Laufstrecke und überall sonst!«
Daniel rührte sich nicht. »Setz dich hin! Raus mit der Wahrheit!«
Widerstrebend sank sie zurück auf das Bett.
»Ich habe mehr Geschichten für mich behalten, als du dir vorstellen kannst«, beruhigte er sie. »Du hast mein Wort.«
Das Mädchen richtete sich auf. »Das mit dem Jawlensky war meine Idee. Wir konnten das nicht allein durchziehen. Meine Mutter hätte uns sofort in Verdacht gehabt. Deswegen wollte Rico mit Pitt sprechen. Pitt ist ein Gauner, meint Rico. Pitt kennt sich aus.«
»Womit?«, fragte Daniel knapp.
»Mit Erpressung und so. Das hat er sogar mal bei Rico versucht. Rico hat früher einiges Zeug genommen … ist jetzt nicht wichtig.«
»Er hat seinen eigenen Erpresser angeheuert? Na ja, ist wohl besser als jedes Empfehlungsschreiben. Wie habt ihr es gemacht?«
»Rico hat die Rauchbomben angesteckt und mit dem Handy, das er Marco geklaut hatte, den Alarm ausgelöst. Ich bin vom Dachboden rein in die Wohnung und habe mich mit dem Bild im Schrank versteckt. Es ist nicht sehr groß und steckte im Transportkoffer. Wenn die Sache schief gegangen wäre, hätte ich einfach behauptet, ich wollte nur das Bild beschützen.«
Ohne Verwunderung lauschte Norma den Erklärungen, die alles bestätigten, was sie sich zusammengereimt hatte. Bei erster Gelegenheit schlich Nina sich mit dem Koffer in den Hinterhof. Rico verbarg das Diebesgut über Nacht in einem provisorischen Versteck.
»Dort war das Bild auf Dauer nicht sicher«, fuhr Nina fort. »Am Dienstagmorgen sind wir zur Platter Straße rausgefahren. Rico hatte sich dafür Pauls Wagen ausgeliehen. Pitt wartete schon. Sonst war niemand da. Es schüttete wie aus Eimern, aber er stand draußen vor dem Wagen und wartete. Wir sind auch raus. Pitt nahm den Koffer mit dem Bild entgegen. Er sollte es aufbewahren, bis meine Mutter gezahlt hat. Bei ihm würde niemand suchen. Wir wollten nicht, dass jemandem etwas passiert.«
»Aber es ist etwas geschehen«, sagte Daniel düster.
Halt den Mund und lass sie reden, schimpfte Norma im Stillen, der die tauben Beine und ein Jucken hinter dem Ohr zu schaffen machten. Zu allem Überfluss begann die Nase zu kribbeln. Bloß nicht niesen! Sie lenkte die gesamte Aufmerksamkeit auf das Gespräch.
»Der Tod ist passiert«, flüsterte Nina. »Da waren wir schon weg! Pitt kriegte das Bild, und wir sind los!«
»Wo habt ihr euch getroffen?«, fragte Daniel verunsichert, als begriffe er nur allmählich, welch ungeheuerliche Geschichte Nina ihm auftischte.
»Genau dort, wo man den toten Pitt gefunden hat: Auf dem Parkplatz beim Jagdschloss. Ich schwöre, als wir abfuhren, war er quicklebendig.«
»Er muss jemanden eingeweiht haben!« Nachdenklich neigte Daniel den Kopf.
Norma schaute geradewegs auf die Falten im fleischigen Hals. Der Käfer schrumpfte zusammen.
»Wer auch immer das ist, er will den Jawlensky für sich allein«, befürchtete Nina. »Deswegen hat er Pitt getötet und ist jetzt hinter Rico her.«
»Aber warum Rico? Und warum ausgerechnet jetzt?« Er sah sie argwöhnisch an. »Du hast mir nicht alles erzählt!«
Nina seufzte und holte tief Luft. »Rico ist dem Mörder in die Quere gekommen. Rico hat einen Erpresserbrief geschrieben und fordert 200.000 von meiner Mutter. Obwohl wir das Bild gar nicht haben.«
Norma hielt es nicht länger in ihrem Versteck. Sie riss den Vorhang beiseite. »Was du auch
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