Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kupferglanz

Titel: Kupferglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
Vom Netzwerk:
alle anderen. Natürlich wurde ich härter getackelt als die anderen ‐ fünfzehnjährige Jungen lassen wahrlich keine Gelegenheit aus, Mädchen zu begrapschen. Natürlich versuchten sie mir um jeden Preis den Ball abzunehmen ‐ das gehörte einfach zum männlichen Überlegenheitsgefühl, das bei den Kleinstadtjungen sehr ausgeprägt war. Sicher war Johnny klar, dass ich zu einem Problem für die Mannschaft wurde. Deshalb machte er auch keinen Einwand, als ich ihm sagte, ich wollte mit dem Fußball aufhören. Als Grund gab ich die Schule an, eine sehr fadenscheinige Ausrede.
    Schließlich hatte ich bisher auch nichts für die Schule getan, und trotz dem lag mein Notendurchschnitt zwischen eins und zwei. Johnny hakte nach, wollte den wahren Grund wissen.
    «Meine Eltern», erklärte ich schließlich. Tatsächlich gefiel es ihnen auch nicht, dass ich in der Jungenmannschaft trainierte. Als ich mich bei ihnen beklagt hatte, dass man mich aus der Mannschaft zu werfen versuchte, hatte meine Mutter nur gesagt:
    «Mit deiner Fußballerei versuchst du doch bloß, was Besonderes zu sein. Du würdest viel leichter Anschluss finden, wenn du dich bemühen würdest, so zu sein wie die anderen Mädchen. Du könntest ja auch Volleyball spielen, wir haben doch ein ganz gutes Mädchenteam.»
    «Im Fußball bin ich aber viel besser! » Und dann hatte ich mit den Türen geknallt und war überzeugt gewesen, dass niemand auf der Welt mich verstand.
    Natürlich hatte ich insgeheim gehofft, dass Johnny mich bitten würde weiterzu-machen. Aber er tröstete mich nur etwas unbeholfen, sagte, er würde mich in der Mannschaft vermissen, und meinte dann fröhlich, zum Glück würden wir uns ja weiterhin im Probenraum sehen.
    Und aus unserer Band Rattengift hatten sie mich tatsächlich nicht rausgekriegt, trotz gelegentlicher Bemerkungen, Klavier oder Gesangsstunden passten besser zu einem Mädchen. Wenn ich wenigstens eine sexy Solosängerin gewesen wäre, das hätten sie vielleicht irgendwie verstanden, aber ich spielte meine Bassgitarre am Rand der Bühne, schwenkte nicht mal die Hüften und sang nur im Notfall Background. In die Schablone des musizierenden Mädchens passte ich also überhaupt nicht. Aber Johnny hatte mich gemocht, und das war ziemlich viel wert.
    Obwohl Mögen nicht dasselbe war wie Liebe.
    «Warum bist du zurückgekommen?», fragte Johnny, als wir um die letzte Ecke bogen.
    «Der Job. Das Gehalt. Ich weiß nicht… Ich hatte irgendwie das Gefühl, dass ich für eine Weile herkommen sollte. Wahrscheinlich Midlife-Crisis, oder jedenfalls Dreißigerkrise. Ein Grund war wohl auch, dass ich meine Eltern wieder kennenlernen wollte. Das wird mir allerdings jetzt erst klar.»
    «Dreißigerkrise, soso … Was hab ich dann? Die Vierunddreißigerkrise?»
    «Es ist doch gut, dass du mit deinem Leben was anfangen willst. Ich bin jedenfalls ganz zufrieden, dass ich noch nicht an einem festen Arbeitsplatz hängengeblieben bin.»
    «Und dieser Antti? Wie fest ist das? »
    Einen Moment lang war mir danach, Petrus nachzueifern, alle Wartegelöbnisse und halbgaren Ehepläne zu leugnen. Aber in den letzten fünfzehn Jahren hatte ich wohl doch etwas dazugelernt.
    «Das ist schon ziemlich fest. Wir entscheiden uns endgültig im August, wenn Antti nach Finnland zurückkommt.»
    Wir gingen schweigend bis zur Kreuzung. Der Turm hinter uns glänzte immer noch silbern, die Mondsichel war höher gestiegen, über ihr war der Große Wagen noch schwach zu sehen.
    «Trotz Antti… » Johnny zog mich an sich. Unser allererster Kuss schmeckte nach Kartoffelchips.
    Ich hatte wirklich etwas dazugelernt in den letzten fünfzehn Jahren. Ich wurde zum Beispiel nicht ohnmächtig. Aber auf dem ganzen Weg nach Kuusikangas sang ich lauthals Beatles-Songs.

Vier
    Das Klingeln des Telefons kam von weither. Natürlich! Antti zog in Chicago durch die Kneipen und rief mich samstags früh um sieben an, weil er nicht daran dachte, dass Mitternacht bei uns längst vorbei war. Ich hatte einen pelzigen Geschmack im Mund, als ich mich zu Penas altem Telefonapparat schleppte, bereit, Antti anzumotzen.
    «Timppa Antikainen hier, guten Morgen.»
    «Morgen.» Verdammt, das war dienstlich. Automatisch setzte ich mit der freien Hand die Kaffeemaschine in Gang.
    «Ja … also … beim Alten Bergwerk hat jemand eine ‐ » Antikainen machte eine wirkungsvolle Pause ‐ «eine Leiche gefunden… »
    «Was? Wo bist du jetzt?» Ich schaufelte mit einer Hand Kaffee in den Filter, sie

Weitere Kostenlose Bücher