Kupferglanz
Make-up drin, die Schlüssel, ihre Geldbörse und den kleinen Skizzenblock. Ohne die ging sie nirgendwohin. Hatte sie die etwa nicht dabei, als sie … » Aniliina konnte nicht weitersprechen, sie schlang ihre knochigen Arme wie zum Schutz um sich.
«Sie ist nicht gefunden worden.»
«Wo steckt sie denn dann?» In Aniliinas Stimme lag Angst.
«Gute Frage.» Die Sache gefiel mir nicht. Wenn Merittas Hausschlüssel verschwunden war, konnte sich jederzeit jemand ins Haus schleichen. Ich überlegte, wie ich Aniliina beibringen sollte, dass das Schloss ausgewechselt werden musste, ohne sie zu erschrecken.
Aus dem Atelier rief Koivu nach mir.
«Ich dachte, das würdest du gern sehen.» Koivu zeigte auf ein zwei Meter hohes Ölgemälde.
Das Bild zeigte Johnny, nackt. Meritta hatte ihn schräg von hinten gemalt, er drehte sich in der Taille, sah über die Schulter dreist in die Augen des Betrachters. Es sah aus, als wollte er sich gerade umdrehen. Es war Meritta gelungen, die Drehbewegung einzufangen, das Licht, das von den Muskeln ausging, den Schatten am Rand der Glieder. Obwohl Johnny auf dem Bild zu erkennen war, hatte Melitta ihn nicht porträtiert, sondern als Modell benutzt. Das Bild erinnerte an die Jünglingsstatuen der Antike, es strahlte erregende Männlichkeit aus. Ich erinnerte mich wieder an Johnnys Geruch und daran, wie sich diese leuchtenden Schultern unter meinen Händen anfühlten.
«Hier ist noch mehr von der Art.» Koivu zeigte auf eine Art Lagerraum unter dem Schlafboden. Gleichzeitig klingelte Järvisalos Handy.
Er sprach kurz mit dem Anrufer und wandte sich dann mit ernstem Gesicht an Koivu.
«Wir müssen zurück nach Joensuu. Die Somalis und Neofaschisten von Freitagabend haben schon wieder angefangen … Messerstecherei im Krankenhaus.»
«Tote? » Koivu war blass geworden.
«Einer von den Neofaschisten. Eine Krankenschwester hat ein Messer in die Puppen bekommen, aber sie ist nicht in Lebensgefahr.»
Ich las Koivu am Gesicht ab, dass er an Anita dachte. Er war schon halb im Flur, als Järvisalo sich in Bewegung setzte. Koivu riss ihm das Handy aus der Hand und brüllte hinein, während er aus dem Haus lief und die Autotür aufschloss.
Nachdem der Diensthabende in Joensuu geantwortet hatte, entspannte sich sein Körper, ich sah an der Haltung seiner Schultern, dass die verletzte Krankenschwester nicht Anita war. «Ich bring das hier zu Ende, damit wir weiterkommen», rief ich den Männern nach.
Erst jetzt kam ich dazu, mich im Atelier genauer umzusehen. Es war ein mindestens vierzig Quadratmeter großer, an der höchsten Stelle rund fünf Meter hoher Raum mit Fenstern an zwei Wänden und oben. Vom kleineren Fenster aus war der Turm zu sehen. Meritta hatte ihn beim Malen täglich gesehen, ohne zu ahnen, dass ihr Leben an seinem Fuß enden würde.
Auch im Atelier standen ein Sessel und ein Sofa, dazwischen ein kleiner Rauchtisch. Die einzigen anderen Möbel waren ein paar Schränke mit Malutensilien und Staffeleien in verschiedener Größe, zwei davon mit fertiggrundierter Leinwand. Meritta hatte sich zweifellos in einer aktiven Ar-beitsphase befunden. Ich stieg auf den Schlafboden, auf dem nur ein Kleiderschrank und ein zwei Meter breites Bett mit orangefarbener Tagesdecke standen. Im Bücherregal fand ich neben Lyrik von Frauen eine große Auswahl von Büchern über erotische Kunst. Ich zog wahllos ein Buch heraus und blätterte darin. Männer mit schokoladenfarbener Haut küssten sich, auf der nächsten Seite taten eine Spur dunklere Frauen das Gleiche. Die Kontraste, die verschiedenfarbige Haut bildete, zog sich als Grundidee durch den schwarzweißen Fotoband. Die Bilder waren ebenso sexy wie hübsch. Ich nahm mir vor, das Buch zu kaufen, wenn ich es in Helsinki finden würde.
Ich kehrte zu Merittas Bildern zurück. Der erste Stapel enthielt ein paar bekannte, eindrucksvolle Landschaftsbilder vom Bergwerksgelände, eine Reihe Bleistiftskizzen von Kaisa beim Speerwurf und zuunterst ein wüstes Bild von Jaska.
Ich glaube nicht, dass Jaska sich bereitgefunden hatte, Meritta Modell zu sitzen, sie musste aus dem Gedächtnis gemalt haben. Jaska trug seine Rockeruniform, abgewetzte Jeans, Lederjacke und schwarzes T-Shirt. Um den Hals hing eine Gitarre. Er stand mit gespreizten Beinen auf der Bühne, in der Pose eines Stars.
Auf dem vom Schnaps aufgedunsenen Gesicht lag ein selbstzufriedener Ausdruck.
Es war ein bösartiges Bild, das Jaska gleichzeitig so zeigte, wie er sich sehen
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