Kupferglanz
Habt ihr einen Durchsuchungsbefehl?»
Der verblüffte Järvisalo zog das Papier aus der Tasche, Aniliina prüfte es sorgfältig und nickte dann. Sie versuchte wohl, sich so zu verhalten, wie sie es in den Krimiserien gesehen hatte, vielleicht vertrieb das den Schmerz und verwandelte die Realität in etwas, was sich am Bildschirm betrachten ließ.
«Was sucht ihr überhaupt?», fragte sie, als sie Järvisalo den Durchsuchungsbefehl zurückgab.
«Was immer uns helfen kann, den Tod deiner Mutter aufzuklären. Sie hat wohl hier im Haus auch gemalt? »
«Da drüben ist das Atelier. Räumt aber hinterher wieder auf!» Aniliina ließ uns herein, sie versuchte, hart und erwachsen zu wirken. Von der Straße aus hatte das Haus ausgesehen wie ein normales anderthalbstöckiges Eigenheim aus den fünfziger Jahren, und auch die Küche sah genauso aus wie in allen anderen Häusern dieser Art. Aber wo sich normalerweise das Wohnzimmer befand, war ein offener, anderthalb Stockwerke hoher Raum mit einem riesigen Atelierfenster. Der Schlafboden im Atelier war vermutlich Merittas.
«Mein Zimmer ist da hinten, aber da braucht ihr doch wohl nicht rein?»
Järvisalo schüttelte den Kopf. Es war, als hätte Aniliina ihn in Bann geschlagen.
Er schien erleichtert aufzuatmen, als sie sich in ihr Zimmer verzog und die Tür hinter sich zuknallte.
Koivu und ich gingen in die Küche. Sie war unerträglich sauber und steril, offenbar frisch renoviert. Der Vorratsschrank war vollgestopft mit Mehl, Kleie, Sonnenblumenkernen und verschiedenen Teedosen, im Kühlschrank fanden wir Unmengen von Käse und Gemüse und diverse Diätprodukte: zuckerfreie Limonade, fettfreien Joghurt, kalorienreduzierte Margarine, Magerkäse.
«Sieht genauso aus wie unser Kühlschrank», grinste Koivu.
Die Küche sah aus, als hätten die Flöjts sich häufig dort aufgehalten. Sie war geräumig wie eine Wohnstube, neben dem großen Esstisch aus Eichenholz war noch Platz für eine Schlafcouch und einen Sessel. Vielleicht diente die Küche gleichzeitig als Wohnzimmer. Merittas Geschirr war farbige Keramik, ich erinnerte mich, dass ich in einer Frauenzeitschrift einmal ein Foto von ihrem Ostertisch gesehen hatte. Im Topfschrank standen zwei volle Kognakflaschen, den Etiketten nach Mitbringsel aus dem Ausland, aber sonst war in der Küche nichts Nenneswertes zu finden.
Järvisalo beschäftigte sich überraschend intensiv mit dem Bücherregal auf dem Schlafboden. Als ich zu ihm hinaufkletterte, legte er hastig ein Buch aus der Hand: Erotische Kunst aus Japan.
«Könntest du dir die Sauna und das Badezimmer ansehen», bat er. «Du kennst dich mit diesem Frauenkram besser aus.»
«Bohrmaschinen kann ich auch vergleichen», murmelte ich, während ich ins Badezimmer in der unteren Etage ging, das offenbar erst vor ein paar Jahren an die Sauna angebaut worden war. Die Badewanne war rund und hatte eine Whirl-pooldüse. Über der Wanne hing ein orangefarbenes Telefon. Der Badeschaum und die anderen Kosmetika waren keineswegs luxuriös, hatten aber alle etwas gemeinsam. Meritta war offenbar Stammkundin bei Body Shop gewesen, und auch die wenigen Sachen, die sie anderswo gekauft hatte, waren sämtlich ohne Tierversuche hergestellt. Auch das Waschpulver war ein Ökoprodukt, und statt Tampons oder Binden fand ich ein seltsames Ding, bei dem es sich offenbar um einen dauerhaften, waschbaren Menstruations-schwamm handelte.
Aber etwas fehlte im Badezimmer. Ich fand weder Mascara noch Puderdose, obwohl Meritta beides benutzt hatte. Wahrscheinlich steckten die Utensilien in ihrer Handtasche.
«Habt ihr ihre Handtasche gefunden?», fragte ich, als ich wieder im Atelier war.
«Handtasche? Nein. Sie hatte auch keine Geldbörse und keine Schlüssel bei sich.
Hatte sie die Angewohnheit, eine Handtasche mitzunehmen?» Järvisalo erhob sich, er hatte offenbar den Boden unter Merittas breitem Doppelbett abgesucht.
Ich hatte mich schon seit einer Weile zu erinnern versucht, ob Meritta auf der Party eine Handtasche bei sich hatte, aber es wollte mir nicht gelingen. Am besten fragte ich Aniliina.
Auf mein Klopfen ertönte ein aufgebrachtes «Was!». Aniliina hockte auf einem niedrigen Schemel neben der Heizung und studierte eine Tabelle, die sie bei meinem Eintritt hastig versteckte. Es war erstickend heiß im Zimmer, aber ich hatte den Eindruck, dass Aniliina fror.
«Klar hatte sie ʹne Handtasche, orangefarbenes Wildleder. Ungefähr so groß wie ein normales Buch. Da hatte sie ihr
Weitere Kostenlose Bücher