Kupferglanz
und zog den Notizblock aus der Tasche. Ich brauchte eine Weile, um die Erkenntnis zu verdauen, dass dieses Bibliothekszimmer Teil der Realität von Arpikylä war. Inzwischen hatte das Stubenmädchen Kaffee und Gebäck gebracht. Koivu und ich nahmen höflich an, obwohl ich das Gefühl hatte, der Kaffee käme mir schon zu den Ohren heraus.
« Kanntest du Jari Korhonen, der vorgestern Nacht ermordet wurde ? », brachte ich schließlich hervor.
Barbro Kivinen trank einen Schluck schwarzen Kaffee, das Gebäck rührte sie nicht an.
«Ich kann nicht behaupten, dass ich ihn persönlich gekannt hätte. Vom Sehen kenne ich natürlich alle Mitarbeiter des Alten Bergwerks. Korhonen war ja ein Langzeitarbeitsloser, einer von denen, für die wir ABM-Gelder bekommen.» Sie gab zu verstehen, dass Jaska ohne den Zuschuss vom Arbeitsamt keine Chance auf einen Job gehabt hätte. «Ich habe allerdings bemerkt, dass er am Freitagabend auf dem Fest völlig unpassend gekleidet und unzweifelhaft betrunken war, und das hat mich schon ein wenig gewundert. Aber glücklicherweise hat er sich schon am frühen Abend davongemacht.»
Stellvertretend für Jaska wurde ich wütend. Offensichtlich herrschte in Barbros Welt eine genauso strenge Kastenordnung wie im Arpikylä meiner Jugend. Was hatte sie dazu bewogen, den Sohn eines Bergmanns zu heiraten? Dem Ambiente nach war es freilich eine gelungene Entscheidung gewesen.
«Du sagst, dass ihr in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag nichts Ungewöhnliches im Plörregebiet gehört habt?»
«Unsere Schlafzimmer sind im obersten Stock, und die Fenster gehen zur anderen Seite, zum Alten Bergwerk. Möchtest du die Zimmer sehen?» Ich schüttelte den Kopf. «Was in der Plörre geschieht, ist von da aus weder zu sehen noch zu hören. Außerdem hat es in der Nacht geregnet. Auf so einem alten Blechdach macht das ziemlichen Lärm.»
«Zu Meritta Flöjts Tod bist du ja schon befragt worden, aber danach hat die Polizei einige neue Informationen erhalten.» Ich beschloss, direkt zur Sache zu kommen, auch wenn ich damit Kivinens Zorn auf mich zog.
«Meinst du die Affäre zwischen meinem Mann und Meritta Flöjt im letzten Frühjahr? Ich habe mich schon gefragt, wann sie aufs Tapet kommt.» Barbro Kivinen lächelte, als sie mein verblüfftes Gesicht sah. «Das war keineswegs Seppos erste außereheliche Beziehung. Ich habe gelernt, mir nichts daraus zu machen, Seppo weiß auch nicht alles über mein Leben. Trotzdem funktionieren unsere Ehe und unsere geschäftliche Verbindung sehr gut. Ihr seid wohl beide nicht verheiratet? Tja, wer jung und ledig ist, kann sich alle möglichen Ideale leisten.»
Barbro goss uns Kaffee nach. Ich nahm aus reiner Verlegenheit noch ein Stück Kuchen und stopfte es mir in den Mund, weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte. Zum Glück sprach Barbro weiter.
«Mein Mann hat euch natürlich versichert, dass ich von der ganzen Sache nichts wusste. Das ist sehr ritterlich von ihm, denn sonst hätte ich ja ein prachtvolles Motiv. Für ihn sähe es natürlich besser aus, wenn er gewusst hätte, dass ich über das Verhältnis informiert war. Aber es war ja sowieso schon vorbei. Meritta Flöjt war eine Ästhetin, sie hat Seppo gegen diesen griechischen Gott eingetauscht.
Kein Wunder, dass Seppo Anfang Mai eine Weile ziemlich säuerlich war. Das kann einen schon mitnehmen, wenn man einem Jüngeren und Schöneren weichen muss.» Barbro Kivinens Stimme war scharf wie die Kralle einer Katze.
«Aber für die fragliche Nacht gilt dasselbe wie für vorgestern. Wir haben friedlich geschlafen, er in seinem Bett, ich in meinem. Außerdem kenne ich meinen Mann zu gut. Seppo würde niemals aus Eifersucht töten und dafür all das hier opfern. Als wir hier einzogen, hat er mir erzählt, wie er als Kind mit ein paar anderen Jungen einmal versehentlich das Grundstück betreten hat, und wie der Hausmeister die Schäferhunde auf sie gehetzt hat. Dieses Haus setzt er nicht aufs Spiel, nachdem er es nun endlich bekommen hat. Und das Gleiche gilt für mich. Aber jetzt muss ich euch leider bitten zu gehen. Als Seppos Sekretärin den Termin vereinbart hat, wusste sie nicht, dass um Viertel nach zwei mein Masseur kommt.» In ihrem blauen Morgenrock wirkte Barbro Kivinen wie eine Königin, deren Wink man zu gehorchen hat. Wir schlichen davon wie Schoßhündchen, die sich schlecht benommen haben.
«Ob Frau Kivinen einen Mord begehen würde, um all das zu behalten?», fragte Koivu, als wir den Hügel zur
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