Kupferglanz
noch auf ein letztes Glas im Kupferkrug. Bei Miss Mirandas zweitem Auftritt ging das Publikum stärker mit, ein besonders Mutiger kletterte sogar zu ihr auf die Bühne. Antikainen und Hopponen, stets hilfsbereit, zerrten ihn herunter und bekamen zur Belohnung jeder einen leidenschaftlichen Kuss von Miss Miranda. Ich nahm mir vor zu überprüfen, ob Küssen gegen die Showgenehmigung verstieß ‐ was würden meine Herren Kollegen wohl dazu sagen? Beim zweiten Mal war der Auftritt nicht mehr so amüsant, ich hatte die Nase schon voll, bevor Miss Miranda ihr Höschen auszog.
« Gehen wir? Ich hab zu Hause noch einen halben Kasten Bier», schlug ich vor, nachdem die Zuschauer vergeblich versucht hatten, Miss Miranda zu einer Zugabe zu bewegen. Die Kellnerin kam, um die leeren Gläser abzuräumen, und ich hörte, wie die Leute am Nebentisch zu ihr sagten: «Na, Maija, bist du als Nächste dran? Aber bei dir hängen die Titten bestimmt schon.»
Ich hätte den Kerlen den Putzlappen um die Ohren gehauen, aber die Kellnerin wandte sich wortlos zu unserem Tisch. Ich sah, dass sie den Tränen nahe war. Ich legte ihr einen Zehner Trinkgeld hin und beschloss, gleich am Montag das Sittlichkeitsgesetz und die Verordnung über Vergnügungsveranstaltungen durchzulesen. Vielleicht entdeckte ich doch einen Paragraphen, der es mir ermöglichen würde, den Striptease im Kupferkrug zu verbieten. Es wäre doch pikant, gleichzeitig als Flittchen und als nörgelnde Zicke verschrien zu sein.
Als wir auf die Straße traten, schob sich die Mondsichel gerade zwischen den Wolken hervor und stand genau über dem Turm. Der Phosphorglanz schien noch stärker zu sein als gewöhnlich, ich war bereit, allen Sagen von in den Höhlen hausenden Erdgeistern Glauben zu schenken.
Koivu fing wieder von Anita und ihrem Skinhead an. Es wurmte ihn, dass er den Kerl mindestens noch einmal verhören musste.
«Ich kann dem gegenüber doch beim besten Willen nicht unparteiisch sein. Du kannst Gift drauf nehmen, dass ich explodiere, wenn der wieder von minderrassigen schwarzen Schürzenjägern faselt.»
«Glaubst du, dass er in den Knast kommt?»
«Nee, der nicht, das ist einer von denen, die die Schmutzarbeit von anderen erledigen lassen. Er hat zwar ein Vorstrafenregister wegen ein paar Körperverletzungen, aber das wird wohl auch nichts nützen. Die Somalis haben in Joensuu auf die Entscheidung über ihren Asylantrag gewartet, und der wird jetzt auf jeden Fall abgelehnt. Also haben die Skins erreicht, was sie wollten.»
«Du warst früher auch nicht unbedingt dafür, unbegrenzt Flüchtlinge aufzunehmen», stichelte ich.
«Wenn ich mir dieses rassistische Geschwafel noch lange anhören muss, heiße ich bald alle Flüchtlinge herzlich willkommen», gab er zurück.
Wir fuhren mit dem Taxi nach Kuusikangas, wo Mikko uns stolz auf dem Hof erwartete. Ich hatte ihn absichtlich draußen gelassen, und er schien das Nahrungsproblem zufriedenstellend gelöst zu haben. Auf der Treppe lagen die Därme eines kleinen Tiers und ein halb aufgefressener Maulwurf. Die mehr als einjährige Bekanntschaft mit Einstein hatte mich gelehrt, kein Mitleid mit der Beute einer Katze zu empfinden, schließlich aß ich selbst ja auch Fleisch. Ich wusste, dass Mikko ein Lob von mir erwartete und keine entsetzten Ausrufe.
«Ich hab übrigens auch Hunger», erklärte ich, als wir ins Haus gingen. Nach drei Drinks war ich beschwipst, aufgekratzt und kein bisschen müde. Immerhin hatte ich am Morgen gründlich ausgeschlafen. «Wir könnten ein paar Brote essen, Bier trinken und ein kleines Palaver abhalten. Es gibt wieder neue Informationen über die beiden Morde.»
Koivu schien weniger begeistert, um Mitternacht Mordfälle zu lösen, war aber bereit, mir zuzuhören. Als ich ihm mit Ausnahme von Kaisas Verliebtheit alles erzählt hatte, was ich wusste, fragte er: « Und der Schlüssel ? Hat der überhaupt noch irgendeine Bedeutung, wenn Jaska das Beweismaterial dem Mörder übergeben hat?»
«Wenn ich nur wüsste, was für ein Schlüssel das ist. Er kann auf alles Mögliche passen. Und dann diese Bilder, da steckt garantiert auch was drin, wenn ich sie nur richtig deuten könnte.» Ich holte Brief und Schlüssel aus meiner Handtasche und las zum x-ten Mal die Zeilen, die Jaska hingekritzelt hatte.
«Hallo, Maria. Den Schlüssel bekommst du, wenn mir etwas zustößt. Er gehört Meritta. Sie hat gesagt, sie traut sich nicht, ihn bei sich aufzubewahren, und hat ihn mir gegeben. Er soll
Weitere Kostenlose Bücher