Kupfervenus
leidenschaftliche Umarmung es getan hätte.
»Wo ist der Papagei?« fragte ich.
»Der hat sich verkrochen«, antwortete Maia. »Ich hatte schon Angst, er würde meine Kinder schikanieren, aber die haben sich anständig gewehrt. Am Ende mußten wir ihm zu seinem eigenen Schutz einen Schmortopf überstülpen.«
»Ich habe schon gesehen, was diese Nervensäge in meiner Wohnung angerichtet hat.« Immer noch suchte ich, wie ein jämmerlicher kleiner Spatz, nach ein paar armseligen übriggebliebenen Krumen. »Ich werde einen Vogelkäfig besorgen.«
Am Boden einer Schale fand ich schließlich ein paar schrumpelige Mandeln. Sie schmeckten schon leicht angegammelt. Ich hätte mir denken können, daß an einem Leckerbissen, den mein Schatz und meine kleine Schwester verschmäht hatten, nicht mehr viel dran sein würde.
»Ich glaube, ›zwei Eier im Körbchen‹ ist ein Synonym für Hoden«, erklärte ich in nüchternem Medizinerton, um den beiden zu zeigen, daß ich sie für Damen von Welt hielt. »Wenn allerdings ›Kurzwaren‹ ebenfalls aus dem Söldnerjargon stammen sollte, dann kann ich dazu mit keiner Übersetzung dienen.« Maia gab vor, den Hintersinn erfaßt zu haben, und versprach, Helena später einzuweihen.
Sie machten mir Platz, warfen mir ein paar Kissen hin und geruhten endlich, sich meinen Tagesbericht anzuhören. Ich merkte bald, daß Helena meiner Schwester alles über meinen Fall erzählt hatte. »Bis zu Priscillus bin ich leider nicht vorgedrungen. Aber ich habe ihn, wie’s scheint, ganz richtig eingeschätzt: hohe Mieten und niedrige Motive. Allmählich sieht’s so aus, als ob was dran wäre an Severinas Geschichte.«
»Untersteh dich und hab Mitleid mit dieser Person!« rief Maia empört. Mir war, als hätten sie und Helena einen vielsagenden Blick gewechselt.
Ihre starre Ablehnung weckte unwillkürlich meine Sympathie für die Kupfervenus. »Warum denn nicht? Vielleicht wird Severina von allen verkannt? Und ist in Wahrheit tatsächlich bloß ein anhängliches Frauchen, das immer nur das Beste für Novus gewollt hat, aber leider bei allem, was sie anpackt, vom Pech verfolgt wird?« Diese Arie der Unvoreingenommenheit klang selbst in meinen Ohren überraschend. Offenbar rieselte bei mir langsam der Kalk im Oberstübchen.
Meine Schwester und meine Herzensdame machten mich mit klirrenden Armreifen nieder, und dann bekam ich Order, ihnen alles über Severina Zotica zu berichten, damit sie anschließend den Charakter der armen Person systematisch zerpflücken konnten. Maia, selbst eine gelernte Weberin, interessierte sich besonders für Severinas Handarbeiten. »Sitzt sie wirklich selbst am Webstuhl? Wie schnell arbeitet sie? Hat sie ein Muster benutzt? Mußte sie beim Farbwechsel erst überlegen, oder konnte sie den nächsten Strang Wolle instinktiv herausgreifen?«
»Oh, das weiß ich nicht mehr.«
»Marcus, du bist aber auch zu nichts zu gebrauchen!«
»Ich halte sie eigentlich schon für echt. Spricht nicht auch diese Rolle der getreuen Penelope für ihre Unschuld? Was könnte harmloser sein als eine Frau, die ruhig daheim am Webstuhl sitzt?«
»Während sie ruhig hinterm Webstuhl sitzt«, konterte Maia, »hat sie reichlich Muße, Listen und Ränke auszubrüten!«
»Aber sie tut doch bloß, was für jede ehrbare römische Matrone Tradition ist. Schon Augustus bestand darauf, daß die Frauen seines Hauses all seine Kleider mit eigener Hand webten.«
Helena lachte. »Dafür sind seine Techtelmechtel ja denn auch zum Musterbeispiel der Sittenlosigkeit geworden!« Prüfend sah sie mich an. »Ist es das, was du dir wünschst? Kratzige, handgesponnene Tuniken?«
»Würde mir nicht im Traum einfallen.« Schon weil ich mich nicht trauen tät!
»Na also! Erzähl uns doch noch was über diese Besuche in der Bibliothek. Für welches Gebiet interessiert sie sich denn?«
»Geographie.«
»Das klingt allerdings harmlos«, gab Helena zu. Trotzdem warfen sie und Maia sich schon wieder so einen albernen Blick zu. »Vielleicht ist sie ja auf der Suche nach einer hübschen Provinz, wohin sie sich mit ihrer unrechtmäßig erworbenen Beute absetzen könnte!«
»Das glaub ich kaum. Die einzige Schriftrolle, deren Titel ich entziffern konnte, war ein Text über Mauretanien. Aber wer möchte sich schon in einer Wüstenei zur Ruhe setzen, noch dazu eine, in der es von Elefanten wimmelt?«
Maia kicherte. »Wenn sie drei Bände zum Thema ›Wie zähme ich einen Papagei‹ ausgeliehen hätte, wäre das schon
Weitere Kostenlose Bücher