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Kupfervenus

Kupfervenus

Titel: Kupfervenus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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naheliegenden und sehr triftigen Gründen wollte ich den Koch rächen. Aus ebenso triftigen sozialpolitischen Gründen hatte ich dazu keine Chance.
    Gewiß, meine Beweise reichten aus, um bei einem Magistrat Klage gegen Appius Priscillus einzureichen. Aber machen wir uns doch nichts vor: Viridovix war ein Sklave. Wenn ich nachwies, daß Priscillus ihn getötet hatte – noch dazu ganz unbeabsichtigt –, würde daraus, falls es überhaupt zur Verhandlung kam, kein Mord-, sondern ein Zivilprozeß werden, in dem die Hortensii auf Schadenersatz für ihren Sklaven klagen konnten. Appius Priscillus drohte schlimmstenfalls eine Geldstrafe, die die Besitzer angemessen entschädigte. Den Wert eines gallischen Kriegsgefangenen aber würde kein römisches Gericht hoch veranschlagen; ein Koch, und nicht einmal einer aus Alexandria! Zweihundert Sesterzen, höchstens.
    Mir blieb also nur die Hoffnung, Viridovix auf einem Umweg zu rächen: Ich mußte beweisen, wer seinen Herrn auf dem Gewissen hatte und diesen Schuldigen zur Rechenschaft ziehen. Leider wußte ich bisher nur, wer es nicht getan hatte. Verdächtige mit Motiven konnte ich genug benennen, aber ein Motiv für einen Mord zu haben ist in unseren aufgeklärten Zeiten nicht strafbar. Meine Verdächtigen hatten zwar Anschläge verübt; doch die waren offenbar alle mißglückt, also vermutlich wieder nicht strafbar.
    Blieb zuletzt noch Severina Zotica. Severina, die ein wundervolles Motiv bekam, als Novus ihr die Ehe versprach – und es prompt wieder verlor, als er vor dem Austausch der Heiratsverträge starb.
    Vielleicht hatte sie ja ein anderes Motiv. Aber wenn, dann war ich bisher leider nicht dahintergekommen.
    Warum wecken Begräbnisse eigentlich immer so einen unbändigen Appetit? Ich mußte die Gedanken an Leben, Tod und Vergeltung fahrenlassen, denn alles, worauf ich mich im Moment konzentrieren konnte, war die jetzt leider fruchtlose Erinnerung an köstliches Gebäck.
    Wie unfähig muß ein Grundbesitzer eigentlich sein, um die Gemeinschaft einer so segensreichen Einrichtung zu berauben? Minnius wäre, ganz gleich zu welchem Mietzins, immer ein Aushängeschild für das Viertel gewesen. Als er ihn fortjagte, hatte Hortensius Felix sich bestimmt auf dem ganzen Pincio unbeliebt gemacht als einer, der mutwillig Lebensqualität zerstört. Allein, darin sind Hauseigentümer und Vermieter ja geübt. Wer weiß schon, was für eine krause Logik in den abartigen Hirnen dieser Spezies sprießt? Hier allerdings lag die Antwort leider klar auf der Hand: Minnius wußte zuviel.
    Wie bitte? Was er denn hätte wissen können? Ganz einfach: Minnius wußte, wer die Kuchen für das Bankett gekauft hatte.
    Dieses Wissen war gefährlich. Einen Moment lang fürchtete ich sogar, der Konditor sei vielleicht gar nicht mehr am Leben. Womöglich hatten sich nach dem Giftmord an Hortensius Novus in einer dunklen Nacht finstere Gestalten vom Anwesen des Freigelassenen herabgeschlichen, hatten den unglücklichen Zuckerbäckerkönig im Schlaf erschlagen und den Leichnam unter seinem Verkaufsstand verbuddelt, da, wo schon sein Backofen dem Erdboden gleichgemacht worden war … Nein. Mir steckte wohl immer noch das Fieber im Hirn. Ein prüfender Blick auf das Gelände überzeugte mich, daß hier niemand ein Grab ausgehoben hatte. (Ich war der Enkel eines Handelsgärtners – vor allem aber war ich Soldat gewesen, und in der Armee lernt man alles, was es über das Graben in feindlicher Erde zu wissen gibt.) Nach einem trockenen römischen August hätte niemand in diesem knochenharten Gelände rumscharren können, ohne Spuren zu hinterlassen. Nur die Hitze hatte diese klaffenden Risse ins Erdreich gebrannt, in denen hektisch durcheinanderwuselnde Ameisen sich mit winzigen Hälmchen abschleppten, während die vernünftigen Eidechsen sich wohlig in der Sonne aalten. Nur Wagenräder und Hufe hatten hier den Straßenbelag eingeebnet.
    Minnius mochte tot sein, aber wenn, dann war er nicht hier begraben. Und solange es keinen Leichnam gab, konnte ich bis zum Beweis des Gegenteils getrost hoffen, daß er noch lebte.
    Doch wo war er geblieben? Ich erinnerte mich an mein letztes Gespräch mit ihm; womöglich hatte er mir die Antwort selbst gegeben: »… damals habe ich noch auf dem Emporium Pistazien vom Tablett weg verhökert … «
    Ich lenkte den Esel bergab und machte mich auf den Weg ans andere Ende von Rom.
    Es dauerte eine geschlagene Stunde, bis ich ihn aufgespürt hatte, aber immerhin fand ich ihn.

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