Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kurbjuweit, Dirk

Kurbjuweit, Dirk

Titel: Kurbjuweit, Dirk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kriegsbraut
Vom Netzwerk:
Schmiedearbeiten,
Tücher, Gewürze feilboten und auf Kunden warteten. Zwei Frauen in
Ganzkörperburkas kauften ein, die eine blau, die andere schwarz. Esther drehte
sich um, starrte ihnen nach, wie bewegliche Säulen schritten sie daher. Am
Ausgang des Dorfes stand ein aufgebockter Lastwagen, zwei Männer drückten
einen Schlauch zwischen einen Reifen und eine Felge, ein dritter hielt eine
Pumpe bereit. Esther griff nach der Flasche und trank warmes Wasser, das so
schmeckte wie die Luft, erdig, aschig.
    Gelbe
Landschaft, sonst nichts, dann fuhren sie durch ein Dorf, das so eng gebaut
war, dass sie an einer Stelle rangieren mussten, um die Kurve zu schaffen. Alle
Häuser standen hinter hohen Mauern, niemand war zu sehen, aber das Dorf sah
nicht unbewohnt aus.
    «Wo sind
die alle?», fragte sie.
    «Die
Männer sind auf den Feldern», sagte Tauber, «die Frauen bleiben hinter den
Mauern, wenn sie uns kommen sehen, und wegen der Staubfahne haben sie uns
schon vor einer ganzen Weile entdeckt.»
    Zehn
Minuten hinter dem Dorf stoppte Tauber, schaltete den Motor aus und sagte:
«Pinkelpause.»
    Die Männer
stellten sich an den Straßenrand und pinkelten. Einer der Infanteristen trat
dabei einen Schritt zurück, und sie hörte ihn sagen, er müsse aufpassen, sein
Strahl sei so hart, dass er eine Antipersonenmine auslösen könne. Der andere
Infanterist lachte hell. Esther betrachtete ihr Gesicht im Rückspiegel, der
Staub hatte sich mit dem Schweiß zu einer braunen Paste gemischt. Ihr Rücken
war nass. Als die Männer fertig waren, stellten sie sich hinter den zweiten
Wolf und rauchten. Sie stieg aus und hockte sich vor den vorderen Wolf. Staub
stieg auf unter ihr.
    Sie
durchquerten einen kleinen Fluss, dessen Ufer einst durch eine Brücke verbunden
waren. Die beiden Pfeiler standen noch, die Fahrbahn war in der Mitte eingeknickt.
Es sah aus, als stünden sich zwei trinkende Elefanten gegenüber. Ein Gehöft
auf einem Hügel, eine hohe Mauer und ein verschlossenes Tor, dahinter das Dach
eines Hauses. Im Fluss wusch eine Frau Wäsche, sie trug eine blaue Burka, zwei
kleine Kinder waren bei ihr. Hinter dem Fluss wartete eine Schlucht, eng,
steile Wände. Esther hatte sich bis dahin keine Sorgen gemacht, dachte nicht an
Sprengfallen oder Hinterhalte, bislang war nie etwas passiert auf diesen
Fahrten, hatte ihr Tauber erzählt. Nun wurde ihr mulmig, dies war der perfekte
Ort für einen Hinterhalt, sie hatte das in vielen Filmen gesehen, jeder hatte
das gesehen. Manchmal ärgerte es sie fast, dass die Flut der Kriegsfilme jeden
zum Experten machte und sie als Soldatin dem keine eigenen Erfahrungen entgegenhalten
konnte, nur Theorie, die bei einem gemütlichen Abendessen in Deutschland
weniger zählte als eine Episode aus einem Kriegsfilm. Aber das waren jetzt
nicht ihre Gedanken, jetzt wollte sie gut durch diese Schlucht kommen. Die
Felsen links und rechts der Zufahrt standen eng beieinander, kippten fast
aufeinander zu, als wären sie bereit, wirklich zu kippen und dieses Tor zu verschließen,
um bewahren und verdauen zu können, was sie sich einverleibt hatten. Sie fuhren
hinein, der Klang der Diesel wurde dumpfer, der Fels war zum Greifen nahe,
Esther war beklommen zumute wie in einem engen Tunnel, obwohl sich die
Schlucht bald etwas öffnete und breiter wurde. Nichts wuchs hier, Esther sah
nur grauen Fels. Sie schaute sich um, gutgelaunte Gleichgültigkeit im Gesicht,
aber das war gespielt. Ein paar Sträucher, und dann, endlich, der Ausgang.
Gegen Mittag waren sie an der Schule, ein heller, schmuckloser Kasten. Sie
stieg aus und stand zunächst ein bisschen unsicher auf den Beinen, wegen der
Rüttelei. Sie klopfte den Staub von ihrer Schutzweste, nahm die Sonnenbrille
ab, streifte das Haargummi aus ihrem Pferdeschwanz, hielt es mit den Zähnen
und schüttelte die Haare aus. Dann formte sie einen neuen Pferdeschwanz und streifte
das Haargummi wieder über. Dabei sah sie sich um. Die Schule stand einsam links
der Straße, das Dorf lag rechts. Zwei Dutzend Häuser, verschlossene Türen,
verschlossene Fenster, Mauern. Das alles hatte die Farbe des Berges, an dem
das Dorf klebte, ein lehmiges Gelbgrau, Esther hatte nicht wirklich einen
Namen für diese Farbe. Hinter der Schule, zwei, drei Kilometer entfernt, lag
ein langgezogener Hügel, bei dem Esther sofort an einen Drachen dachte. Die
Schnauze schmiegte sich flach an die Erde, dann ein steiler Anstieg, die
Stirn, dahinter wieder ein flaches Stück, bis sich der Rücken

Weitere Kostenlose Bücher