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Kurbjuweit, Dirk

Kurbjuweit, Dirk

Titel: Kurbjuweit, Dirk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kriegsbraut
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schon Schauspiel, dann richtig. «Einmal.»
    Der
Kommandeur drehte langsam das Papier um, das vor ihm auf dem Tisch lag. Er
vertiefte sich in die Buchstaben, als würde er das Geschriebene noch nicht
kennen. «Leutnant Dieffenbach», sagte er endlich, «ich muss nicht eigens
erwähnen, dass dies ein vertrauliches Gespräch ist, es ist sogar ein geheimes
Gespräch. Sie sind nicht befugt, jemals ein Wort darüber zu verlieren. Ist
Ihnen das klar?»
    «Ja.»
    «Die
Feldjäger haben in dem Gehöft acht Leichen gefunden, manchmal waren es auch
nur Teile von Leichen. Jedenfalls sind dort acht Menschen ums Leben gekommen.
Fünf Taliban, Männer also, sowie eine Frau und zwei Kinder.» Er machte eine
Pause. Es war also passiert, ihr Hoffen und Flehen hatte nichts genützt. «Haben
Sie eine Erklärung dafür, warum sich eine Frau und zwei Kinder in dem Gehöft
aufgehalten haben?»
    Die Frage
kam ihr hilflos vor. Wie sollte sie eine Erklärung dafür haben, wo sie doch
nicht gewusst hatte, dass dort eine Frau und zwei Kinder lebten, jedenfalls
nach dem, wovon der Kommandeur ausgehen musste? Oder ging er von etwas anderem
aus? «Ich weiß es nicht», sagte Esther.
    «Ihnen ist
klar, dass dies eine schwerwiegende Sache ist. Wenn wir die Bevölkerung
verlieren, verlieren wir Afghanistan an die Taliban.»
    Sie kannte
diesen Satz. «Mir ist das vollkommen klar.»
    Die Tür
ging auf, der Adjutant sagte, Potsdam wolle den Kommandeur sprechen. Der
Kommandeur stand auf und verließ das Zimmer. Er blieb eine Weile fort, niemand
sprach. Esther betrachtete die beiden Bilder, die hinter dem Schreibtisch
hingen, eines zeigte den Bundespräsidenten, das andere den afghanischen
Präsidenten. Beide waren freundliche ältere Herren, der eine sah aus wie ein
Beamter, der andere wie ein König.
    Der
Kommandeur kam zurück und setzte sich wieder. «Ich will Sie noch einmal fragen:
Sie sind sich absolut sicher, dass Sie keine Zivilisten gesehen haben?»
    «Absolut.»
    «Es wäre
eine Katastrophe, wenn die Öffentlichkeit erführe, dass wir für den Tod einer
Frau und zweier Kinder verantwortlich sind.»
    Sind wir
doch, dachte Esther.
    «Sie als
Frau müssten das doch in besonderer Weise verstehen», sagte der Major.
    Warum
eigentlich, dachte Esther. Warum sollte sie als Frau das in besonderer Weise
verstehen? Ihr reichte das jetzt, sie hatte alleine gegen fünf Taliban kämpfen
müssen, und die redeten nur von dieser Frau. «Ich verstehe das als Mensch,
nicht als Frau», sagte sie.
    Die vier
blickten sie überrascht an, ablehnend fast. «Warum nicht?», fragte der
Kommandant.

«Weil es
ganz normal ist, dass ich als Frau Soldat bin, also im Krieg töten kann. Warum
soll es dann nicht normal sein, dass eine Frau getötet wird - ich meine, so
normal, wie wenn ein Mann getötet wird?»
    «Weil sie
Zivilistin ist», sagte der Truppenpsychologe.
    «Das ist
ein anderer Punkt. Sie haben nicht gesagt, dass sich die Öffentlichkeit über
den Tod eines Zivilisten aufregen würde, sondern über den Tod einer Frau, als
sei das besonders schlimm. Schlimm ist, wenn Zivilisten sterben. Vielleicht war
einer der toten Männer ein Bauer und kein Taliban, oder die Frau war eine
Aufständische.»
    Der Major
lachte laut auf. «Aufständische Frauen, das wäre ja noch schöner», sagte er.
    Da war
sie, die Wahrheit. So dachten sie hier.
    «Bleiben
wir bei der Sache», sagte der Kommandeur.
    «Was
machen Kinder in einem Hof, von dem aus Krieg geführt wird?», sagte Esther.
«Warum hat ihre Mutter sie nicht davor bewahrt? Oder ihr Vater?»
    «Wir
wollen nicht philosophieren», sagte der Kommandeur. «Tatsache ist, dass in dem
Hof drei Zivilisten ums Leben gekommen sind, mindestens drei Zivilisten. Sie
haben uns versichert, dass Sie nichts von deren Anwesenheit gewusst haben. Das
ist gut. Es gibt niemandem, dem wir einen Vorwurf machen können. Es ist alles
ordnungsgemäß abgelaufen.»
    Der
Adjutant kam wieder herein und sagte, dass Berlin in der Leitung sei. Der
Kommandeur seufzte und ging hinaus.
    «Gekämpft»,
sagte der Oberstleutnant, «Respekt, Respekt.»
    Der Major
beugte sich vor: «Wie war das? Wie hat sich das angefühlt, mal richtig zu
schießen?»
    «Was heißt
richtig?», fragte Esther. «Na, nicht zur Übung.»
    «Ich habe
niemanden gesehen», sagte sie, «ich kann nicht sagen, wie es ist, auf Menschen
zu schießen, weil ich keinen Menschen gesehen habe.» Aber sie hätte gerne
gewusst, ob in den Papieren, die auf dem Tisch lagen, auch stand, dass einer
der

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