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Kurbjuweit, Dirk

Kurbjuweit, Dirk

Titel: Kurbjuweit, Dirk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kriegsbraut
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Toten von einer Kugel getroffen wurde. Sie hätte das sehr gerne gewusst,
glaubte jedoch nicht, dass das eine gute Frage war in dieser Situation.
    Der Kommandeur
kam zurück. Er ging zu seinem Schreibtisch, öffnete eine Schublade, kramte
darin herum und setzte sich dann wieder. «Ich sage Ihnen jetzt etwas, das sehr,
sehr wichtig ist.»
    Esther
streckte ihren Rücken durch.
    «Egal, wie
wir hier die Ereignisse bewerten, die Öffentlichkeit kommt zu einer eigenen
Einschätzung, und die wird gelenkt von Interessen, die ich hier nicht weiter
beleuchten muss. Sie wissen alle, wovon ich rede. Damit wir nicht Gefahr
laufen, dass das, was heute geschehen ist, aufgebauscht oder verfälscht wird,
ist strengstes Stillschweigen geboten. Das Verteidigungsministerium wird der
Öffentlichkeit mitteilen, dass zwei deutsche Soldaten einer Sprengfalle zum
Opfer gefallen sind. Um zwei Kameraden, die in einer extrem gefährlichen Situation
waren, zu retten, wurden die Angreifer erfolgreich aus der Luft bekämpft. Über
die Zahl oder das Wesen der Opfer dieses Luftschlags werden keine Angaben
gemacht. Leutnant Dieffenbach, noch einmal: Es ist Ihnen untersagt, jemals ein
Wort darüber zu verlieren. Haben Sie mich verstanden?»
    «Jawohl,
Herr Oberst.»
    «Danke.
Sie können jetzt auf Ihre Stube gehen, Sie werden müde sein.» In seinen Augen
war die Fürsorglichkeit, die sie am Satellitentelefon gehört hatte.
    Sie stand
auf, die Männer erhoben sich ebenfalls. Allgemeines Lächeln, Zufriedenheit.
Sie grüßte und ging hinaus. Zwei Feldjäger brachten sie zum Sanitäter, dann zu
ihrer Unterkunft, sie wusste nicht, warum das so war, fragte aber nicht. Sie
hatte Angst davor, Ina und Maxi zu begegnen. Vielleicht würde in ihrem Inneren
etwas brechen, etwas aufbrechen, was sie in den letzten Stunden sorgfältig
verschlossen gehalten hatte, und das wollte sie nicht, nicht jetzt.
    Ina und
Maxi sprangen von ihren Betten, als Esther hereinkam. Erst umarmte sie Maxi,
dann Ina. Sie wollten sie lange halten, Esther machte es kurz. Dann saßen sie
auf ihrem Bett, Maxi links, Ina rechts. Fatima stand ihnen gegenüber, Kerzen
brannten. Esther erzählte, was sie erlebt hatte, knapp, ein bisschen kühl. Sie
fühlte sich unwohl, sie mochte die körperliche Nähe gerade nicht und sagte
bald, dass sie müde sei und schlafen wolle. Von den Toten erzählte sie nichts.
Sie kenne die Zahl der gefallenen Aufständischen nicht, sagte sie, und niemand
stellte eine Frage, die sie in Verlegenheit bringen konnte. Sie ging mit den
anderen ins Bad, dann aber unter einem Vorwand zurück und kramte in ihrem
Schrank herum, bis sie die beiden auf dem Flur hörte, worauf sie wieder zum Bad
aufbrach. Beim Vorübergehen schaute sie in besorgte Gesichter und lächelte
halbwegs munter. Sie wollte allein sein im Bad, allein sein nach dem Gefecht.
Als sie vor dem Spiegel stand, bereute sie es, den anderen ausgewichen zu sein.
Sie brauchte Normalität, sie konnte keinen Bruch gebrauchen in ihrem Leben.
Sie hatte eben etwas Neues angefangen, die Liebe zu Mehsud, und die hatte die
Esther, die es vor dem Gefecht gab, angefangen, und sie hatte diese Liebe auf
einen guten Weg gebracht, mit einer Aussicht auf Glück, und da konnte es fatal
sein, jemand anderes zu werden. Deshalb versuchte sie beim Zähneputzen, die
Esther zu sein, die sie vorher gewesen war. Sie bleckte ihre Zahnpastazähne,
um sich ihre Entschlossenheit zu zeigen. Weißer Mund. Das Problem waren die
anderen, die würden das nicht zulassen, die würden die neue Esther erkennen
wollen, das war ihr klar. Sie blieb noch eine Weile im Bad, dachte an Mehsud
und war nicht unglücklich.
    Zurück im
Zimmer, legte sie sich in ihr Bett, rollte sich in die Decke und sah die Wand
an. Die Kerzen brannten noch, auch Ina und Maxi lagen wieder auf ihren Betten.
    «Habt ihr
die beiden Infanteristen gekannt?», fragte Ina.
    «Die
Toten?», fragte Maxi. «Ja», sagte Ina. Esther schwieg.
    «Der eine
war oft im Kraftraum», sagte Ina. «Der Hauptfeld?»
    «Ja, der
Hauptfeld.»
    «Wie war
er so?»
    «Er hat
sich seinen Oberkörper eingeölt.»
    «Nachher?»
    «Vorher.»
    «War er
süß?»
    «Er hat
nicht viel gesprochen.»
    «Kann ja
trotzdem süß gewesen sein.»
    «Er hatte
ein Motorrad. Ich glaube, dass er mal mit einem Oberfeld über sein Motorrad
gesprochen hat.»
    «Und der
andere, der Hauptgefreite?»
    «Den kenne
ich nicht. Den kannte ich nicht.»
    «Ich
glaube, der war aus Leipzig.»
    «Viele
kommen aus Leipzig.»
    «Er

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