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Kurier

Kurier

Titel: Kurier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Berndorf
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nächsten Raststätte, aber Grau verzichtete
auf die Zigaretten. »Ich möchte mich besaufen«, sagte er.

    »Das bringt es nicht«, sagte Milan. »Ich kenne das, du
bist erschöpft. Die Seele ist kaputt.«

    »Psychoscheiß«, erwiderte Grau wütend. Zehn Kilometer weiter
sagte er: »Weißt du, ich habe nie begriffen, dass Eichhörnchens Hilflosigkeit
eigentlich meine eigene war.«

    »Eichhörnchen war seine Tochter«, erklärte Milan.

    »Ich habe davon gehört«, murmelte Geronimo. »Die Menschen
sagen, mit so was musst du leben. Das funktioniert aber nicht.«

    »Jedenfalls nicht gut«, sagte Grau.

    Als sie die Außenbezirke Berlins erreichten, war es Abend.
Geronimo erklärte, der Clan hätte sich zusammengetan und in Mehmets Burg
Wohnung genommen. Grau fiel auf, dass Geronimo keine Hauptstraße benutzte, sich
durch Nebenstraßen quetschte, Industrieansiedlungen bevorzugte, zuweilen sogar
durch Kleingartenanlagen fuhr.

    In der Straße, in der Mehmets Lokal lag, herrschte der übliche
Betrieb, aber die Gruppe der scheinbar gelangweilt herumstehenden jungen Männer
hatte sich eindeutig vergrößert, sie gestikulierten heftig und ließen die Augen
unstet umherwandern. Auffallend viele parkende Fahrzeuge waren mit einem Fahrer
und einem Beifahrer besetzt. Alle diese Tandems wirkten schweigsam und bedrohlich.

    »Hat Mehmet seine ganze Armee aufgeboten?«

    Geronimo nickte. »Sogar die Reservisten. Irgendetwas
passiert, aber wir wissen nicht, was.«

    »Ist von dem Kokain etwas aufgetaucht?«

    »Nicht die Spur. Wir haben Testkäufe machen lassen.
Dresden, Frankfurt, Hamburg, München. Der Stoff ist nicht im Umlauf, kein
Milligramm davon.«

    »Von dem Geld was gesehen?«

    »Dollar? Keine Bank sagt, dass bei ihr größere Summen
eingewechselt worden sind. Nichts, vom Winde verweht!«

    Geronimo rauschte in den Innenhof. Vor einer Gruppe von
Müllcontainern standen zwei Männer, sie fuhren sichtlich erschreckt herum.

    »Schon gut«, beruhigte Geronimo. »Keine Aufregung.« Zu
Grau sagte er: »Es ist wie vor einem Gewitter, weißt du.«

    Dann war es einige Sekunden lang sehr still. Grau hatte
das beklemmende Gefühl, die Welt hörte auf zu existieren und irgendetwas in ihm
zerspränge.

    »Wo ist Meike?«, fragte er atemlos.

    »Penthouse. Das Zimmer, in dem du schon mal geschlafen
hast. Aber Sundern wird dich sprechen wollen.«

    »Sag Sundern, das hat Zeit.«

    »Dir ist nicht gut, nicht wahr?« Milan fragte eher beiläufig.

    »Mir ist wirklich nicht gut.«

    Geronimo brachte ihn im Lift hinauf. Meike saß in einem
Sessel. Sie tat nichts, sie sah ihm nur einfach entgegen und war unsicher. Sie
sagte: »Hallo, Grau.« Es war mehr eine Frage.

    Er blieb stehen und spürte, wie Geronimo hinter ihm die
Tür zudrückte. »Es tut unheimlich gut, dich zu sehen«, sagte er ohne Atem.

    »War es schlimm?«, fragte sie und bewegte sich nicht.

    »Da gab es Dinge, die hätten passieren können. Ich glaube,
davor hatte ich am meisten Angst. Es ging aber glatt, sogar unheimlich glatt.
Das Mädchen ist ein neurotisches Biest.« Er blieb stehen, einen Meter von der
geschlossenen Tür entfernt. »Ist hier etwas Besonderes passiert?«

    »Nichts. Außer dass Sundern ständig mit Pedra telefoniert.
Erst im Flugzeug, dann zu Hause, wie ein Verrückter. Er telefoniert immer noch.
Habt ihr überhaupt geschlafen?«

    »Haben wir.« Er bewegte sich auf den Sessel neben ihr zu.
»Ist Milans Sigrid auch hier?«

    »Na sicher, Grau, ich weiß auch nicht, ich bin irgendwie
aufgeregt. Jemand hat mal gesagt, man müsste die ersten zehn Sekunden
durchstehen, nichts sagen, einfach nichts sagen. Hast du an mich gedacht?«

    »Ich dachte, die ersten zehn Sekunden nichts sagen?« Er
lächelte. »Ich habe darüber nachgedacht, ob es nicht besser wäre, wenn du bei
Sundern total aussteigst. Angeblich hängst du doch in einigen seiner Firmen mit
drin.«

    »Aber warum denn? Es sind gute Firmen und ich bekomme ein
Gehalt. Ach, Grau, kann ich dich vorsichtig berühren?«

    »Ja«, nickte er. »Ich habe im Flugzeug darüber nachgedacht,
wie das wäre. Auf dem Hinflug schon.«

    »Nicht reden«, sagte sie. Sie berührte mit einem Finger
seine Lippen und streichelte dann sein Gesicht. »Ich habe so Angst gehabt, dass
du mich nicht mehr erkennst. Dass wir Fremde sind.«

    »Sind wir aber nicht«, sagte Grau heiser.

    »Ich brauche deine Hände, Grau. Wir sind keine Fremden,
nicht wahr? Könntest du mich ausziehen, wenn ich dich ausziehe?«

    »Ich

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