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Kurier

Kurier

Titel: Kurier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Berndorf
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Frankfurt/Main.

    Grau rief Meike von einer Zelle aus an. »Wir sind bald
wieder da«, sagte er erschöpft.

    »Ich freue mich auf dich, Grau«, sagte sie. »Habt ihr das
Mädchen?«

    »Wir haben sie. Sie ist schlecht gelaunt, nennt uns Wichser
und kann überhaupt nicht begreifen, weshalb wir sie aus dem schönen Bogotá
herausgeholt haben.«

    »Jugendliche sind nun mal so«, sagte sie altklug. »Freust
du dich auf mich?«

    »Ja«, versicherte Grau. »Sag Sundern Bescheid, sie sollen
uns in Frankfurt auflesen, wir können in Tegel nicht landen. Er soll Pedra
ausrichten, wir haben das Mädchen und sind froh, wenn er sie uns abnimmt.«

    »Ja, Grau. Glaubst du, wir haben jetzt mal ein paar Tage
Ruhe?«

    »Nicht die Spur. Jetzt geht es erst richtig los«, erklärte
Grau trocken und beendete das Gespräch.

    »Was soll ich denn in Italien bei dem Scheißopa?«, fragte
Angela wild.

    »Soll ich dir erst noch ein Viertelpfund Kokain spendieren,
mein Täubchen?«, fragte Milan freundlich.

    Angela sagte wieder mit dick aufgeworfenen Lippen:
»Scheißwichser.«

    Grau wurde langsam wütend: »Du solltest gelegentlich mal
deinen Wortschatz erweitern!«

Präsentation einer Leiche

    Kein Mensch hat später rekonstruieren können, wer eigentlich
diese merkwürdige Ankunft des Lufthansa-Fluges direkt aus Miami nachmittags um
15.15 Uhr auf dem Flughafen Frankfurt/Main arrangiert hat.

    Tatsache ist, dass die Maschine etwa acht Minuten vor der
Zeit reinkam, sofort Landeerlaubnis erhielt, auf der Landebahn 2 bis zum Ende
rollte, dann drehte, die Gateway 18 nahm und aus unerfindlichen Gründen
plötzlich stoppte. Der Tower, der sonst alles auf Band festhält, hat darüber
keine Aufzeichnung.

    Tatsache ist auch, dass entgegen jeder Gepflogenheit ein
Schlepper mit einer Treppe heranfuhr und dass ein einziger Passagier, nämlich
die vierundzwanzigjährige Angela Pedrazzini, das Flugzeug vorzeitig verließ, am
Fuß der Treppe in ein Follow-me-Auto stieg und direkt zu einem zweistrahligen
privaten Düsenflugzeug mit italienischer Kennung gebracht wurde. Sie bestieg
die Düsenmaschine, die bereits Starterlaubnis hatte und zwei Minuten später
schon in der Luft war.

    Dieser Vorgang konnte unter anderem deshalb nicht rekonstruiert
werden, weil niemand ernstlich daran interessiert war, es zu tun. Mögliche
Zeugen hielten sich zurück, sie fürchteten um ihren Arbeitsplatz.

    Selbst als ein gewitzter Pressemann einige Vermutungen
anstellte, selbst als er sehr aggressiv äußerte, das wäre wohl die
Privatmaschine des italienischen Industriellen Pedrazzini gewesen, wurde ihm
geantwortet, das wäre durchaus möglich. Ob er denn auch wüsste, dass in dieser
Maschine nicht selten staatliche Kurierpost und Mitglieder des italienischen diplomatischen
Korps befördert würden.

    Aufmüpfig trumpfte der Pressemensch auf, ihm lägen
Aussagen vor, die eindeutig besagten, dass die Enkelin von Pedrazzini namens
Angela die Linienmaschine aus Miami verlassen und den privaten Düsenjet des
Opas bestiegen hätte. Und ebendiese Angela – ha! – wäre identisch mit jener,
die von Mitgliedern eines amerikanischen Geheimdienstes in Bogotá festgehalten
und auf unglaublich tollkühne Weise von zwei noch nicht identifizierten
Deutschen befreit worden wäre.

    Die Antwort des Pressesprechers der Flughafen AG war
verhalten: »Guter Mann, ich weiß nicht, woher Sie diese verrückte Geschichte
haben. Hatten Sie in letzter Zeit Kontakt zu Ihrem Therapeuten?«

    Grau und Milan waren heilfroh, die quengelige Blonde los
zu sein, wenngleich in den letzten beiden Stunden diese Angela sehr still und
in sich versunken nur noch geweint hatte. Einmal hatte sie geseufzt, der
Amerikaner namens Luke wäre eine menschliche Sau gewesen. Nichts anderes im
Hirn, als dauernd eine Geisel zu bespringen, die sich ohnehin nicht wehren
konnte.

    Milan hatte zu alldem nur verhalten väterlich gegrinst,
während Grau sich gezwungen hatte, nicht hinzuhören, dabei aber umso intensiver
unter ihrer kindlichen Hilflosigkeit gelitten hatte.

    In der Flughafenhalle stand breit grinsend Geronimo und
empfing sie mit offenen Armen. Er benahm sich, als seien die Männer jahrelang
fort gewesen. »Leute!«, schrie er, als gelte es, dreihundert Meter zu
überbrücken. »Leute! Einen Orden für euch!«

    Er knutschte erst Grau ab und dann Milan, wobei er ihnen
schmatzende Küsse auf die Wangen drückte und ihnen dermaßen herzlich auf die
Schulter klopfte, dass Grau noch stundenlang ein taubes

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