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Kurier

Kurier

Titel: Kurier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Berndorf
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nicht mehr anschaffen, sie ist nur noch für
die da. Geht einkaufen, Bier und Schnaps und so was. Sie sagt, sie kriegt eine
Hundertdollarnote für eine Nummer, sie sagt auch, die Indianer rammeln wie die
Kaninchen. Für jeden Scheiß kriegt sie einen Hunderter. Es ist nämlich ihre
Wohnung. Mieze sagt, sie zahlen sogar Miete.«

    »Wie alt ist Mieze denn?«

    »Achtzehn«, berichtete Zora. »Die ist echt gut drauf, richtig
geil. So ein Typ will ich auch mal sein. Die zockt alle ab, wirklich alle.«

    Eichhörnchen hatte mal gesagt: »Papi, wenn du mich
suchst, musst du mich am dreckigsten Ort der Stadt suchen, zwischen Müll und
lauter versifften Typen.«

    »Was schätzt ihr, wie viele Leute im Haus sind?«
    »Mindestens hundert«, sagte der Junge schnell.

    »Wie heißt du eigentlich?«

    »Er heißt Gerhard, aber ich sage Geri«, mischte sich Zora
ein. »Du bist kein Bulle?«

    »Nein«, versicherte Grau, »wirklich nicht. Nun zieht euch
endlich was an, ich fange selber an zu frieren, wenn ich euch so sehe.«
    Sie standen auf, rafften ihre Klamotten zusammen und Geri
murmelte: »Ich hab überhaupt keine Lust mehr, an den Scheißbahnhof zu gehen.
Dauernd diese Bullen in Zivil.«

    »Dann bleib doch einfach hier«, schlug Grau vor. »Ihr könnt
mir bei der Volkszählung helfen, ich kann euch etwas bezahlen, wenn ihr wollt. Wie
viel macht ihr so am Tag?«

    »Manchmal vierhundert«, sagte Zora schnell.

    »Zweihundert. Ist das okay?«

    Geri nickte. »Das ist schon in Ordnung. Was müssen wir
machen?«

    »Erst mal gar nichts«, murmelte Grau. »Wir können jetzt
nicht alle einfach aufwecken, die schlagen uns ja tot. Wir könnten erst einmal
eine Liste anfangen.«

    »Na gut«, sagte Zora munter, »also eine Liste. Ich habe
ein Stück Papier und einen Kuli. Also, dann fangen wir mal mit uns hier an.
Dann im Erdgeschoss rechts sind vier Familien. Die Leute sagen, es sind
Afghanen. Sie sprechen kein Wort Deutsch, ich glaube, die haben auch Angst. Ich
schätze mal, das sind mit Kindern glatt dreißig Leute, oder?«

    »Dreißig kannst du einsetzen«, nickte Geri. »Dann sind
gegenüber die Skins. O Mann, das sind schlimme Finger.«
    »Wie viele?«, wollte Grau wissen.

    »Acht, würde ich sagen.« Geri begann, sich eine Zigarette
zu drehen. Er machte es sehr geschickt mit einer Hand. »Die schlagen dir eins
auf die Fresse, wenn du sie bloß fragst, wie viel Uhr es ist. Darüber hausen
die Penner. Das sind lustige Typen und sie machen auch nie Stunk, die wollen
einfach nur ihre Ruhe. Gegenüber, warte mal …«

    Zora schrieb sehr konzentriert an der Liste. Sie kamen
auf hundertzweiunddreißig Personen.

    Geri sagte vorsichtig: »Genau ist das aber nicht, denn
manchmal kommen Leute, die einfach keine Bude haben und keinen Platz zum
Pennen. Man müsste jemanden fragen, der genau weiß, was im Haus los ist.«

    »Bei wem könnte ich mich denn erkundigen?«, fragte Grau.

    Er hatte erreicht, was er wollte, er hatte so etwas wie
eine kühle, etwas entspannte Atmosphäre geschaffen, er war in das Haus
eingetaucht.

    »Fang einfach bei Mieze an«, schlug Zora vor. »Die nennen
sie immer die Mutter der Kompanie.«

    »Wann steht Mieze denn auf?«

    »So um zehn rum«, überlegte Geri.

    »Was passiert mit diesem Haus?«, wollte Zora plötzlich
wissen.

    »Wahrscheinlich werden wir es umbauen. Das hat aber noch
zwei oder drei Jahre Zeit. Mir ist hier unten kalt, wollen wir nicht raufgehen
zu den Pennern?«

    »Gut«, entschied die kleine Zora.

    »Da können wir auch was zu essen kriegen«, sagte Geri.
»Die haben gestern Knäckebrot und Sauerkraut geklaut.«

    »Kein Sauerkraut, kein Knäckebrot«, entschied Grau.
»Gehst du für uns einkaufen, Zora?«

    »Was willst du denn?«

    »Milch, Käse, Eier, Butter und solche Sachen. Und Brötchen.
Bring ein paar Pullen für die Penner mit.«

    »Oh«, sagte Zora erfreut, »das ist ein Wort. Und das
Geld?«

    Eichhörnchen hat auch so gelebt, dachte Grau. Ich muss
die Kinder kaufen, ich muss sie betören.

    »Wartet mal«, sagte er. Er öffnete den Gürtel seiner Hose
und zog ihn aus den Schlaufen. Er öffnete den Reißverschluss an der Innenseite
und nahm zwei Hundertmarkscheine heraus. Er gab sie Zora und sagte beiläufig: »Lass
dir bitte eine Quittung geben. Und bring Zigaretten mit. Am besten Gauloises
ohne Filter. Auch Zigaretten für euch und Tabak und so.«

    Er sah, wie sie auf ihn und den Geldgürtel starrten. »Was
ist? Wollt ihr etwa doch nicht?«

    »Doch«, sagte Zora

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