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Kurpfalzblues

Titel: Kurpfalzblues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Bach
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vor, von Hades, der eine Tarnkappe besaß und sich unsichtbar
machen konnte, der Herrscher über das Reich der Toten war, in dem die Menschen
nur als Schatten existierten.
    Ein Reich, in dem keine Göttin mit ihm leben wollte, sodass er
schließlich, von Einsamkeit getrieben, die schöne Persephone raubte und gegen
ihren Willen zu seiner Frau machte.
    Persephones Mutter, Demeter, die Göttin der Erdfruchtbarkeit, setzte
Göttervater Zeus daraufhin unter Druck, dass er ein Machtwort sprechen und ihre
Tochter wieder zu ihr zurückkehren lassen solle. Um ihrer Forderung etwas
Nachdruck zu verleihen, ließ sie die Pflanzen auf der Erde nicht mehr wachsen,
die Vegetation erstarb.
    »Zeus hat dann entschieden, dass Persephone wieder zurück zu ihrer
Mutter darf, aber nur, wenn sie in der Unterwelt noch nichts gegessen hat.
Hatte sie aber. Vier Kerne eines Granatapfels.« Maria überflog die Zeilen auf
dem Bildschirm. »Also einigten sie sich auf einen Kompromiss: Persephone muss
jeweils vier Monate im Jahr im Schattenreich bei Hades bleiben, den Rest des
Jahres darf sie zurück zu ihrer Mutter. Und diese vier Monate lang trauert
Demeter und lässt auf der Erde nichts mehr wachsen. Deshalb haben wir dann
Winter.«
    Arthur verschwand und kam mit der Kopie des Gedichts wieder.
    »Dann meint er das damit: ›Zur Braut sie genommen, zur Fähre
geleitet, der Winter wird kommen, der Weg ist bereitet!‹ Er holt sich seine Braut,
und deshalb wird es bei uns Winter.«
    »Ja. Sieht ganz so aus, als würde unser Täter denken, er wäre Hades.
Nur dass Lea Rinkner nicht zurückkehren wird, wenn der Winter vorbei ist.«
    Noch während Maria es aussprach, stieg die Angst in ihr hoch, so als
ob sie selbst in die Fluten des Totenflusses gestiegen wäre und Zentimeter für
Zentimeter im kalten Wasser versinken würde.
    Sie sah auf den Bildschirm. »Mengert hat recht.«
    »Womit?«
    »Der Täter hat einen an der Klatsche. Er ist verrückt, gestört.«
    »Maria, du musst tun, was er verlangt! Du musst das im Radio
verlesen lassen. Das Risiko ist zu hoch. Über seinem Gedicht steht ›Erster
Akt‹! Das ist ganz klar eine Drohung. Wir dürfen ihn auf keinen Fall
verärgern.«
    Dieser Mensch benutzte sie. Er wollte, dass sie nach seiner Pfeife
tanzten. Alles in Maria sträubte sich dagegen, zu tun, was er forderte.
    »Er ist nicht berechenbar.« Arthurs Stimme klang beschwörend.
»Jemand, der denkt, er wäre Hades, ist nicht berechenbar!«
    Eine Stunde später wurde das Gedicht zum ersten Mal im Radio
verlesen.
    Bis drei Uhr morgens recherchierten sie im Internet. Maria wusste
nicht mehr allzu viel über griechische Mythologie, aber nach dieser Nacht
kannte sie sich wieder ganz gut aus mit Höllenhunden, den komplizierten
verwandtschaftlichen Beziehungen der Götter untereinander und ihren endlosen
Querelen.
    Arthur war in aller Frühe nach Hause gefahren, angeblich weil er
noch vor Dienstbeginn ins Mühltal zum Walken wollte. Maria vermutete
allerdings, dass er versuchen wollte, Sabine zu erreichen – ohne dass sie ihm
dabei zuhörte oder kluge Ratschläge erteilte.
    In der Polizeidirektion setzte sie sich als Erstes mit den
Pressesprechern zusammen. Maria hatte sie noch in der Nacht informiert.
Inzwischen liefen schon Anrufe von Zeitungen und allen möglichen Sendern ein,
und Maria war heilfroh, dass sie diesen Part an die Kollegen abgeben konnte.
    Danach war Teambesprechung. Arthur und sie berichteten, was sie in
der Nacht herausgefunden hatten. Zeile für Zeile sprachen sie noch einmal das
Gedicht durch. Und das mulmige Gefühl, das Maria ergriffen hatte, machte sich
auch in der Gruppe breit und sorgte für Anspannung.
    Es war schon fast elf, als sie endlich zum Ende kamen. Maria
beschloss, schnell rüber in die Bäckerei zu gehen. Das gemeinsame Frühstück am
Morgen war ausgefallen, weil Arthur es so eilig gehabt hatte, und ihr Magen
hatte schon mehrfach laut geknurrt.
    Als sie zurückkehrte, saß vor der Polizeidirektion eine kleine
Gestalt in einer dicken schwarzen Jacke am Rand des Wasserbassins und rauchte.
Es war Cloe.
    »Was machst du denn schon hier?«
    Dass Cloe nicht mehr freiwillig auftauchen würde, damit hatte Maria
gerechnet. Aber dass sie eine Stunde zu früh kam?
    »Ich habe auf Sie gewartet. Der an der Pforte hat gesagt, Sie wären
eben weggegangen.«
    Cloe hatte tiefe Ringe unter den Augen und sah ganz danach aus, als
hätte sie die halbe Nacht geweint. Sie zog an ihrer Zigarette, dann warf sie
den Rest davon ins

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