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Kurpfalzblues

Titel: Kurpfalzblues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Bach
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Strick, er lag darunter!«
    »Hier, machen Sie sich eine Kopie.« Sie hielt ihm Cloes Liste hin,
bemüht um einen normalen Tonfall. »Und organisieren Sie, dass die Kollegen alle
Personen, zu denen diese Telefonnummern gehören, über ihre Beziehung zu Lea
Rinkner befragen. Vielleicht kommen Sie dann ja noch mal auf andere Gedanken.«
    Alsberger presste die Lippen zusammen, nahm die Liste und verließ
wortlos ihr Büro.
    Die Hitze kam mit einem Schlag, als habe jemand neben ihr einen
Gasofen entzündet, züngelte ihren Hals hoch, über ihr Gesicht, über die
Schläfen, bis in die allerletzte Haarwurzel. Höllenfeuer.
    Vielleicht war die Verwaltung doch der bessere Platz für Alsberger.
Keine Streitigkeiten mehr, kein Ärger.
    Maria ging zum Fenster und riss es weit auf.
    Hades, Zeus, Inzest, Hölderlin, Bräute, Dichter, Säufer. Ihr Körper
schien zu verglühen. Sie pumpte sich voll mit der kühlen Herbstluft, so lange,
bis sie endlich wieder klar denken konnte.
    Arthur mochte vielleicht recht damit haben, dass es ein einsamer,
verzweifelter Mensch war, der den Mord an Lea Rinkner begangen hatte. Hades,
der Unglückliche, der Ungeliebte.
    Aber in einem irrte Arthur, da war sie sich sicher. Es würde kein
weiteres Opfer geben.
    Hades hatte nur eine Braut.
    *
    Sarah bemühte sich, ruhig zu bleiben. »Bitte, Julie, mach voran, ich
muss zur Arbeit.«
    Es war schon fast halb sechs, sie musste sich beeilen, wenn sie noch
pünktlich kommen wollte. Aber Julie trödelte, wie üblich.
    »Komm, die Oma wartet schon. Du willst doch nicht, dass die Oma
traurig ist, weil wir zu spät kommen. Julie, bitte!«
    Julie hatte sich steif gemacht wie ein Brett, als Sarah ihr die
Jacke anziehen wollte. Dann musste Julie unbedingt noch den Teddy mitnehmen,
dann den Hasen. Dann sollten es die roten Schuhe sein, dann doch die blauen.
    Sarah stand unten im Flur, Julie oben an der Treppe. Endlich setzte
sie sich in Bewegung. Sarah wartete. Am liebsten hätte sie ihre Tochter
angeschrien. Sie könnte sie auch einfach packen und hinuntertragen, aber sie
wusste, dass es alles nur noch schlimmer machen würde.
    Schritt für Schritt kam Julie im Schneckentempo die Stufen herunter,
den Hasen an sich gedrückt, den Trotzteufel im Genick. Sie summte ein Lied,
scheinbar harmlos, als ob alles in bester Ordnung und die Welt eine große Wiese
mit tausend gelben Butterblumen wäre. Und an jeder musste man mindestens einmal
stehen bleiben, um daran zu schnuppern.
    Nicht hinschauen, dachte Sarah, sonst bringe ich sie um.
    Ob das normal war, dass man auf sein Kind so wütend sein konnte?
    Sarah öffnete die Haustür und schaute, ob Post da war. Meistens
steckte nichts Erfreuliches im Briefkasten. Rechnungen, irgendetwas, was man
nicht haben wollte. Aber das war immer noch besser, als bei Julies
Protestaktion zuzusehen.
    Im Haus gegenüber stand die Nachbarin hinter der Gardine. Super, da
hatte sie das passende Publikum, wenn sie gleich versuchen würde, Julie auf den
Fahrradsitz zu kriegen. Bei uns hätte es das früher nicht gegeben.
Vielleicht sollten Sie mal …
    Die Alte war eine Giftspritze. Aber immer noch besser die als der
Widerling, der früher gegenüber gewohnt hatte. Einer, der immer ein bisschen zu
nah kam, wenn man mit ihm redete. Und wie der manchmal gekeucht hatte. So ein
geiler alter Sack.
    Die Gardine im Fenster auf der anderen Straßenseite bewegte sich,
Sarah grüßte. Sollte die Alte ruhig mitbekommen, dass sie dahinten nicht
unsichtbar war.
    Unten an jedem Briefkasten waren drei kleine Schlitze, sodass man
von außen erkennen konnte, wenn etwas darin war. Ein Brief! Sarah konnte ihn
sehen, hell, weiß.
    Sie schloss den Kasten auf, griff nach dem Umschlag. Keine
Anschrift, kein Absender. Sie öffnete ihn. Ein sorgfältig gefaltetes Blatt
steckte darin.
    Das Summen hatte aufgehört. Im Haus war es völlig still. Was war
jetzt los?
    Sarah schaute in den Flur, die Treppe hoch.
    Julie hatte sich auf eine der Stufen gesetzt und betrachtete
verträumt ihre blauen Schuhe.
    »Verdammt noch mal, Julie! Jetzt mach endlich voran!«
    Julie schaute hoch, ihre Unterlippe begann leicht zu zittern.
    »Und fang jetzt bloß nicht an zu heulen! Ich habe wirklich keine
Lust auf dein Theater.«
    Das war es. Julie erhob sich langsam, steckte den Stoffhasen
zwischen die Gitterstäbe des Geländers, um ihn dann, wie von wissenschaftlicher
Neugier getrieben, fallen zu lassen und interessiert hinterherzuschauen.
    Sarah stopfte den Brief in ihre Jackentasche und

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