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Kurpfalzblues

Titel: Kurpfalzblues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Bach
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sich bleich zu ihr
herabbeugte.
    Der Mond, dachte Sarah. Das muss der Mond sein.

Polygamie
    Die Hiobsbotschaft erreichte Maria um halb drei morgens. Die
Kollegen vom Kriminaldauerdienst hatten sie zu Hause angerufen und faxten ihr,
was sie am liebsten niemals zu Gesicht bekommen hätte:
    Voll Sehnen, voll Hoffen, voll Bangen,
    will sterben vor Lieb und Verlangen.
    Will jauchzen, will schluchzen, will weinen,
    wenn unsere Seelen sich einen.
    Werd folgen dir, du süße Maid,
    werd spüren, ob du bist bereit.
    Werd dich umfangen, dich berühren,
    ins Reich der Schatten dich entführen.
    Werd Rosen brechen an hölzerner Pforte,
    werd Blüten streuen an finsterem Orte.
    Werd bringen den Tod, erlösen dein Herz,
    auf ewig vereint, besiegen den Schmerz.
    Maria hatte es dreimal gelesen, aber schon beim ersten Mal war all
ihre Hoffnung, es könnten vielleicht doch die Zeilen eines harmlosen, netten
Verehrers für seine Angebetete sein, verpufft.
    Zwanzig Minuten später stand Alsberger mit dem Wagen vor ihrer Tür.
    Sie fuhren durch die nächtlichen Straßen, vorbei am riesigen
Metallpferd vor Heideldruck, das im Mondlicht so lebendig aussah, als wolle es
gleich auf seinen drei Beinen gen Himmel galoppieren.
    »Dieser Scheißkerl hält sich nicht dran«, murmelte Maria.
    »Woran soll er sich denn halten?«, fragte Alsberger.
    »An die Vorlage. Wenn er schon behauptet, er wäre Hades, dann soll
er sich bitte schön auch an die Vorlage halten. Hades hatte nur eine Braut. Nur
eine! Verdammt noch mal.«
    Alsberger lenkte den Wagen über die Ernst-Walz-Brücke. Das Mondlicht
spiegelte sich im Neckar, silberne Tupfen, die wie kleine Flammen auf dem Fluss
tanzten.
    »Dieses Licht«, sagte er, »sieht irgendwie gesp…«
    Er schluckte den Rest hinunter, aber es war schon zu spät.
    »Fangen Sie jetzt wieder mit diesem Geisterkram an? Wahrscheinlich
liegt alles nur am Vollmond, oder wie? Da werden Männer zu Werwölfen, harmlose
Hausfrauen reiten mit dem Besen über den Odenwald, und Hades kriecht aus der
Unterwelt und schreibt Liebesgedichte?«
    Maria war wütend. Aber ausnahmsweise einmal nicht auf Alsberger,
sondern vor allem auf sich selbst. Sie war so sicher gewesen, dass sich alles
nur um Lea Rinkner drehte.
    Sie hatte daran geglaubt, weil sie es unbedingt hatte glauben
wollen. Weil sie dann nicht unter dem Druck hätten arbeiten müssen, dass es von
ihnen abhing, ob eine weitere Frau starb.
    Der Geruch in Klinikzimmern hatte Maria noch nie behagt. Sie hätte
am liebsten das Fenster aufgerissen, um die kühle Nachtluft hereinzulassen,
aber das Zimmer hatte keines.
    Die junge Frau lag mit geschlossenen Augen im Bett. An einem
Gestänge daneben hing ein Beutel mit klarer Flüssigkeit, von dem ein dünner
Schlauch bis zu ihrem Arm herunterreichte.
    Ihr Gesicht war so bleich und ihre Haut so durchscheinend, dass sie
aussah, als wäre sie nicht mehr von dieser Welt. Die blonden Haare lagen wie
ein Fächer auf dem Kissen, getrocknetes Blut klebte an ihrer Stirn.
    Eines war nicht zu übersehen, und es war etwas, das Maria
erschrecken ließ: Sie sah Lea Rinkner ähnlich. Es war der gleiche Typ. Sie
musste ein hübsches Gesicht haben, wenn es nicht gerade so zugerichtet war wie
im Moment, lange blonde Haare, und sie war nicht älter als Anfang bis Mitte
zwanzig.
    Maria konnte ihren Atem hören, sonst war es still. Nur die Uhr über
der Tür zeigte mit lautem Ticken an, dass es kurz nach drei war.
    »Die haben doch gesagt, sie wäre nicht mehr bewusstlos.« Maria
beugte sich über das Bett. In diesem Moment schlug die junge Frau die Augen
auf.
    »Mooser, Kripo Heidelberg.« Maria lächelte sie an. »Und Sie sind
Sarah Szeidel?«
    Die rechte Gesichtshälfte der jungen Frau war geschwollen, die
Oberlippe eingerissen. »Ja, das bin ich«, brachte sie mühsam hervor.
    »Unsere Kollegen haben uns erzählt, dass Sie einen Brief bei sich
hatten, als der Unfall geschah. Ein Gedicht. Darüber wüssten wir gerne mehr.«
    Sarah Szeidels Augen füllten sich mit Tränen.
    »Ich kam von der Arbeit«, flüsterte sie. »Ich stand an der Ampel.
Und dann … dann …« Sie drehte den Kopf zur Seite. »Ich weiß es nicht mehr. Ich
habe keine Ahnung, was dann passiert ist.«
    Aber Maria wusste es. Sie hatte mit den Kollegen von der Streife
telefoniert, die den Unfall aufgenommen hatten.
    Nach Aussagen der Zeugin, die hinter Sarah Szeidel an der Ampel
gestanden und gewartet hatte, hatte die junge Frau sich zu ihr umgedreht und
war dann einfach

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