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Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick O'Brian
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seinen wenigen Toppgasten zum dritten Mal das Bram-Leesegel an Backbord zu setzen versuchte. Zwar preschte die Slup mit (für sie) spektakulärer Fahrt dahin, trotzdem war es ein Jammer, daß sie so geprügelt, ihre Besatzung so geschunden werden mußte: ein hoher Preis, der sie vielleicht noch teuer zu stehen kommen würde. Aber wie dem auch war, so ging es eben zu in der Marine, und als Kommandant durfte er dem Ersten dabei nicht in den Rücken fallen. Jacks Gedanken wandten sich wieder seinen vielen Problemen und der Sorge um Stephen zu: Blanker Wahnsinn, diese Herumtreiberei in Feindesland. Außerdem zürnte er sich selbst wegen seines Benehmens an Bord der San Fiorenzo . Diesem krassen Mißbrauch von Autorität hätte er mit viel mehr Standfestigkeit begegnen müssen. Nun stand er da, an Händen und Füßen gebunden durch die Dienstvorschriften und die Kriegsartikel der Royal Navy.
    Auch die Offiziersanwärter waren ein Problem: Er brauchte mindestens zwei mehr, einen Fähnrich und einen Kadetten. Am besten fragte er Dillon, ob er ihm zwei Jungen nennen konnte — einen Vetter, einen Neffen oder ein Patenkind. Das war eine schmeichelhafte Anerkennung des Kommandanten gegenüber seinem Stellvertreter und durchaus üblich, wenn sie sich gut verstanden. Als Fähnrich brauchte er jemanden mit einiger Erfahrung, am besten einen, den er fast sofort zum Gehilfen des Masters ernennen konnte. Eine Weile erwog er in diesem Zusammenhang seinen Bootsführer, einen guten Seemann und Anführer der Groß-Toppgasten. Dann wieder vergegenwärtigte er sich die jüngeren Leute im Mannschaftslogis. Denn viel, viel lieber hätte er jemanden ausgewählt, der sich auf der Ochsentour nach oben gearbeitet hatte, einen einfachen Matrosen wie den jungen Pullings; so einer war ihm lieber als ein Sprößling aus reicher Familie, die es sich leisten konnte, ihren Nachwuchs auf See zu schicken ... Wenn die Spanier Stephen Maturin an Land erwischten, würden sie ihn als Spion behandeln und erschießen.
    Es wurde schon dunkel, als sie mit dem dritten Handelsfahrer fertig waren, und Jack hielt sich kaum mehr auf den Beinen vor Erschöpfung — seine blutunterlaufenen Augen, brannten, seine Ohren waren überreizt, und sein Kopf fühlte sich an, als würde um die Schläfen eine Schnur immer enger zugezogen. Sein Tag hatte zwei Stunden vor Morgengrauen begonnen, ein scheußlicher Tag, und die ganze Zeit war er an Deck gewesen. Sowie sein Kopf aufs Kissen sank, schlief er binnen Sekunden ein. Doch in der kurzen Zeit davor hatte er in seinem erlöschenden Bewußtsein noch zwei intuitive Erkenntnisse: die eine, daß mit Stephen Maturin alles gutgehen würde, und die andere, daß mit James Dillon etwas nicht stimmte. »Hätte nie gedacht, daß ihm unser Einsatz hier so wichtig ist; obwohl man ja merkte, daß auch er an Maturin hing. Seltsamer Bursche«, murmelte er, ehe er sich ins Nichts fallen ließ.
    Er sank in den tiefen Erschöpfungsschlaf des gesunden, gut genährten, übergewichtigen jungen Mannes — in einen Schlaf, der rote Backen machte. Der aber doch nicht so tief war, daß er nicht nach einigen Stunden stirnrunzelnd und besorgt daraus hochgefahren wäre. Leise, heftig streitende Stimmen drangen durch die Heckfenster an sein Ohr. Im ersten Moment dachte er an einen Bootsangriff, an Enterer in der Nacht. Aber dann wurde sein Kopf klarer, er erkannte die Stimmen als die Dillons und Marshalls und ließ sich zurücksinken. Trotzdem, sagte er sich eine ganze Weile später im Halbschlaf, wieso sind die beiden zu dieser Stunde gleichzeitig auf dem Achterdeck, obwohl sie doch Wache um Wache gehen? Es ist noch nicht acht Glasen. Wie zur Bestätigung schlug die Schiffsglocke dreimal an, und von den verschiedensten Stellen im Rumpf kamen die gedämpften Antwortrufe: Alles wohlauf an Bord. Aber das stimmte nicht. Sie segelten nicht wie bisher mit Höchstfahrt unter Vollzeug. Was ging da vor? Jack warf sich den Morgenrock über und stieg an Deck. Die Sophie hatte nicht nur Tuch weggenommen, sondern lief jetzt auch einen anderen Kurs, nach Ostnordost.
    »Sir«, Dillon trat vor, »dafür übernehme ich die volle Verantwortung. Ich habe den Master übergangen und die Kursänderung befohlen. Denn ich glaube, wir haben ein Schiff an Steuerbord voraus.«
    Jack starrte in den silbrigen Dunst — Mondschein und halb bedeckter Himmel. Der Seegang war stärker geworden. Er sah weder ein Schiff noch dessen Licht, aber das hatte nichts zu sagen. Er nahm den

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