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Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick O'Brian
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Röte Platz gemacht.
    »Wenn Sie meinen?« Jack hatte noch Zweifel, aber James Dillon rief bereits eifrig die Crew des Kutters herbei, hastete hin und her, überprüfte ihre Waffen, lud seine eigenen Pistolen und bewies demonstrativ, daß er seine fünf Sinne wieder beieinander hatte. Als der Kutter längsseits lag und schon abstoßen wollte, sagte er noch: »Vielleicht sollte ich doch um diese Steckbriefe bitten, Sir. Dann kann ich unterwegs mein Gedächtnis auffrischen.«
    Mit langsam schlagenden Segeln hielt sich die Sophie an Backbord in Luv vor der John B. Christopher , um beim ersten Zeichen von Widerstand auf sie feuern und sich vor ihren Bug legen zu können. Aber alles ging glatt. Ein paar mehr oder weniger trotzige Spottrufe schollen vom Vorschiff des Amerikaners herüber, und Sophies grinsende Stückmannschaften, jederzeit bereit, ihre amerikanischen Vettern ohne das geringste Zögern und ohne jede böse Absicht ins Jenseits zu blasen, hätten ihnen nur zu gerne mit gleicher Münze heimgezahlt. Aber ihr Kommandant unterband jeden Ansatz dazu, denn dies war eine verhaßte Aufgabe und kein Anlaß zu Scherzen. Beim ersten Antwortschrei, der wie »Boston-Bohnen« klang, fuhr er dazwischen: »Ruhe vorn und achtern. Mr. Ricketts, notieren Sie den Namen dieses Mannes.«
    Die Zeit verging. In ihren Zubern brannten die Lunten ab, Spirale nach Spirale. Auf dem ganzen Deck ließ die Aufmerksamkeit nach. Ein blendendweißer Tölpel flog über die Masttoppen, und Jack merkte, daß er, seine Pflichten vergessend, wieder besorgt an Stephen dachte. Die Sonne stieg höher, immer höher.
    Endlich erschien die Entermannschaft auf dem Seitendeck des Amerikaners und kletterte in den Kutter hinab. Und da kam auch Dillon — allein. Er wechselte noch einige Worte mit dem Skipper und den Passagieren an der Reling. Die Segel der John B. Christopher füllten sich wieder — seltsam, den amerikanischen Slang ihrer Offiziere zu hören —, und sie machte sich auf ihren Weg nach Süden. Sophies Kutter pullte über das Wasser zwischen den beiden Schiffen.
    Auf dem Hinweg hatte sich James noch gefragt, was er tun sollte. Den ganzen Tag über, seit er vom Auftrag des Geschwaders erfahren hatte, war er von einer fatalen Schicksalsergebenheit wie gelähmt gewesen. Und jetzt, nachdem er viele Stunden Zeit zum Grübeln gehabt hatte, war er immer noch zu keinem Entschluß gelangt. Er bewegte sich wie in einem Alptraum, kletterte wie unter Zwang an der Bordwand des Amerikaners empor. Denn natürlich hatte er gewußt, daß er Vater Managan an Bord finden würde. Dabei hatte er sein möglichstes versucht — außer offener Meuterei oder Versenkung der Sophie —, um dem Amerikaner aus dem Weg zu gehen: Er hatte den Kurs geändert, hatte Segel wegnehmen lassen, hatte den Master gezwungen, ihm zu gehorchen; trotzdem hatte er gewußt, daß er den Priester finden würde. Nicht gerechnet hatte er allerdings damit, daß dieser ihm mit Denunziation drohen würde, falls er sich nicht blind stellte. Sie hatten einander blitzartig erkannt, wobei ihm der Mann sofort unsympathisch gewesen war, und in dieser allerersten Sekunde hatte er endlich seinen Entschluß gefaßt: Es war ihm völlig unmöglich, den Häscher zu spielen und die beiden festzunehmen. Und dann kam diese Drohung. Obwohl er sich mit absoluter Gewißheit darüber klar war, daß sie ihn unbeeindruckt ließ, entwickelten sich die Ereignisse wie von selbst; die Situation wurde für ihn unerträglich. Er mußte so tun, als prüfe er gründlich alle anderen Pässe, bevor er sich wieder unter Kontrolle hatte. Er hatte gewußt, daß es keinen Ausweg für ihn gab, daß ihn jeder Weg in die Schande führen würde — wofür er sich auch entschied. Aber er hatte nicht geahnt, daß Ehrlosigkeit so schmerzlich sein würde. Dillon war ein stolzer Mann. Vater Managans zufriedenes Feixen traf ihn tödlicher als jede Beleidigung, die er jemals erduldet hatte, und mit dem Schmerz dieser Wunde wuchsen schier unerträgliche Zweifel in ihm.
    Der Kutter stieß an die Bordwand der Sophie .
    »Keine verdächtigen Personen an Bord, Sir«, meldete Dillon.
    »Um so besser«, antwortete Jack erleichtert und winkte dem amerikanischen Skipper vergnügt mit seinem Hut zum Abschied. »Neuer Kurs Südwest, Mr. Marshall. Und sichern Sie diese Kanonen wieder, seien Sie so gut.« Aus dem achteren Niedergang wehte ein anregender Duft nach frischem Kaffee zu ihnen herauf. »Dillon, Sie kommen jetzt am besten mit mir

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