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Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick O'Brian
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Pinkompaß und studierte darauf die Kursänderung. »Wir kommen gleich unter die Küste von Mallorca«, sagte er und gähnte.
    »Jawohl, Sir. Deshalb habe ich mir die Freiheit erlaubt, die Segelfläche zu verkleinern.«
    Das Ganze war ein ungewöhnlicher Verstoß gegen jede Disziplin. Aber Dillon wußte dies selbst ganz genau, deshalb hatte es keinen Sinn, ihm öffentlich Vorhaltungen zu machen.
    »Wer hat im Augenblick die Wache?«
    »Ich, Sir«, sagte der Master leise, aber seine Stimme klang ebenso rauh und gepreßt wie die Dillons. Zwischen den beiden bestand eine fühlbare Spannung, die viel stärker war, als eine Meinungsverschiedenheit über das fremde Schiff gerechtfertigt hätte.
    »Wer sitzt im Ausguck?«
    »Assei, Sir.«
    Assei war ein intelligenter, verläßlicher Laskare.
    »Assei, ahoi!« rief Jack.
    »Hier, Sir«, kam die dünne Stimme von hoch oben.
    »Was siehst du?«
    »Nichts, Sir. Sterne, sonst nichts.«
    Aber schließlich würde er mit unbewaffnetem Auge bei einem schweifenden Rundumblick auch nicht viel mehr erkennen können. Dillon war höchstwahrscheinlich im Recht, andernfalls hätte er kaum zu einer so außergewöhnlichen Maßnahme gegriffen. Trotzdem — dieser Kurs war schon verdammt seltsam.
    »Sind Sie sicher, daß Sie das Licht gesehen haben, Mr. Dillon?«
    »Ganz sicher, Sir — ganz beruhigt.«
    Beruhigt war ein unpassender Ausdruck unter diesen Umständen, und in so harschem Ton gesprochen, klang er noch seltsamer. Jack schwieg eine Weile. Dann ließ er den Kurs um anderthalb Strich nach Norden ändern und schritt wie gewohnt an Deck auf und ab. Bei vier Glasen wurde es im Osten schnell heller, und da lag es tatsächlich: dunkles, festes Land an Steuerbord voraus, noch verschwommen im Dunst, obwohl die hohe Himmelskuppel klar und beinahe schon blau war. Jack ging unter Deck, um sich anzukleiden, und als er sich das Hemd über den Kopf zog, kam der Ruf des Ausgucks: Segel in Sicht.
    Das fremde Schiff stieß aus einer bräunlichen Nebelbank hervor, nur knapp zwei Meilen in Lee, und sowie Jack sein Glas trockengewischt hatte, erkannte er die geschiente Fockstenge, an der nur ein gerefftes Bramsegel gesetzt war. Jetzt war alles klar: Dillon hatte natürlich völlig recht gehabt. Dies war ihre gesuchte Beute, obwohl seltsamerweise vom Kurs abgekommen. Sie mußte vor geraumer Zeit bei Dragon Island gewendet haben und schlich nun langsam aufs offene Fahrwasser im Süden zu. In einer guten Stunde konnten sie ihren leidigen Auftrag erfüllt haben, und Jack wußte schon jetzt genau, was er gegen Mittag tun würde.
    »Gut gemacht, Mr. Dillon«, rief er, »Wirklich sehr gut. Günstiger hätten wir sie gar nicht erwischen können. Aber so weit im Osten hätte ich niemals mit ihr gerechnet. Zeigen Sie unsere Farben, und feuern Sie ihr einen Schuß vor den Bug.«
    Die John B. Christopher zierte sich ein wenig vor dem gierigen Kriegsschiff, das jeden ihrer britischen Seeleute einschüchtern würde (oder jeden, den die Entermannschaft für britisch zu halten beliebte), doch sie hatte nicht die geringste Chance zu entkommen, schon gar nicht mit einem geflickten Fockmast. Also stellte sie nach einem kurzen Durcheinander ihrer Rahen und nach einem halbherzigen Fluchtversuch ihre Bramsegel back, setzte die amerikanische Flagge und wartete auf das Boot der Sophie .
    »Sie gehen hinüber«, sagte Jack zu Dillon, der immer noch durch sein Fernrohr starrte, als fasziniere ihn irgendein Detail im Rigg des Amerikaners. »Hier spricht niemand, seit der Doktor fort ist, so gut Französisch wie Sie. Und schließlich haben Sie sie an diesem ausgefallenen Ort gefunden — sie ist Ihre Entdeckung. Möchten Sie noch einmal in die Steckbriefe sehen, oder ...«
    Jack unterbrach sich. Trunkenheit in der Navy war ihm nicht fremd; er hatte betrunkene Admiräle erlebt, betrunkene Kapitäne und betrunkene zehnjährige Schiffsjungen, war sogar selbst volltrunken in der Schubkarre an Bord gebracht worden — aber er verabscheute Trunkenheit im Dienst, verabscheute sie ganz entschieden, vor allem zu so früher Stunde.
    »Vielleicht sollte besser Mr. Marshall hinübergehen«, sagte er kalt, als er Dillon wie betrunken taumeln sah. »Lassen Sie Mr. Marshall rufen.«
    »O nein, Sir«, rief Dillon und riß sich zusammen. »Bitte um Vergebung — es war nur ein momentanes ... Bin schon wieder ganz in Ordnung.« Und tatsächlich waren seine Blässe, sein Schweißausbruch, sein starrer Blick verschwunden und hatten einer hektischen

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